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Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Elizabeth II.: Das Leben der Queen

Titel: Elizabeth II.: Das Leben der Queen
Autoren: Thomas Kielinger
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Angsterlebnis der britischen Geschichte, eine Tradition zu stiften, die bis zur Geburt des jetzigen Prinzen von Wales und Thronfolgers, Charles, im Jahr 1948 Bestand hatte: Immer musste ein Vertreter der säkularen Gewalten bezeugen, dass eine Niederkunft im Rahmen der unmittelbaren königlichen Erbfolge ohne Hinterlist vor sich gegangen war. So wurde Sir William Joynson-Hicks, postiert neben dem Zimmer der Wöchnerin, Notar einer historischen Geburt.

    Elizabeth Alexandra Mary kam am 21. April 1926 morgens gegen drei Uhr per Kaiserschnitt zur Welt, und es dauerte nicht lange, bis das Kind, Prinzessin Elizabeth, von ihrer Familie immer nur «Lilibet» oder auch «Bess» gerufen, die Herzen der Briten erobert hatte, auch dank der publizistischen Vermarktung durch ihre Mutter, die überaus populäre und medienbewusste Herzogin von York. Davon wird noch ausführlich die Rede sein. Eine einzige Zeitung, der «Daily Sketch», griff für seine Ausgabe vom Tag nach der Geburt zum königlichen Rechenschieber und schrieb, in der Theorie vollkommen korrekt: «Eine mögliche Königin von England wurde gestern in 17 Bruton Street, Mayfair, geboren.» Eine «mögliche» Königin – die Journalisten hatten mit einer Heirat des Prinzen von Wales offenbar gar nicht mehr gerechnet und die Erbfolge sogleich auf Elizabeth zulaufen lassen. Eine kühne Annahme. Denn Elizabeth, das haben wir hier bisher übersehen, hätte ja auch noch einen Bruder bekommen können, schließlich war bei ihrer Geburt dieMutter erst 25 Jahre alt. Ein Bruder hätte sie in der Erbfolge noch weiter zurückgesetzt, ganz zu schweigen von möglichen Nachkommen des Prinzen von Wales. Ergo: Auf die Annahme, dass Elizabeth je den Thron erben würde, hätte 1926 niemand wetten mögen. Zu viele Hürden standen im Wege.
    Und doch hat sich, was der «Daily Sketch» früh als «möglich» beschrieb, genau im Sinne dieser Vorhersage erfüllt, und das schneller, als irgendjemand hätte ahnen können. Eine Kette von unvorhersehbaren Ereignissen – die Abdankung des Onkels im Jahr 1936, der frühe Tod des Vaters 1952 im Alter von 56 Jahren – führte dazu, dass die junge Frau schon mit 25 Jahren den Thron bestieg, im gleichen Alter übrigens wie ihre berühmte Vorgängerin, Elizabeth I. Und auch das Leben der zweiten Elizabeth ist bereits Geschichte geworden, eine Geschichte aber, die andauert und die Öffentlichkeit weiterhin fasziniert.
    Fast hätte es dieses Leben gar nicht gegeben, denn wie gesagt zweimal lehnte Elizabeth Bowes-Lyon Heiratsanträge des Herzogs von York ab. Ihre Mutter, Lady Strathmore, distanziert wie die meisten Schotten gegenüber England, war gegen die Verlobung mit Bertie, dem Königssohn – kam ihr das höfische Zeremoniell doch suspekt vor und der Jubel der Massen bei den entsprechenden Anlässen noch mehr. «Soweit ich das sehe, müssen einige Leute mit Royalty gefüttert werden wie Seelöwen mit Fischmahlzeiten», gab sie ihrer Tochter zu verstehen. Ähnlich hatte es schon Walter Bagehot gesehen, Englands viel zitierter Verfassungstheoretiker des 19. Jahrhunderts. «Je demokratischer wir werden, desto mehr erfreuen wir uns an staatlicher Show, die schon immer das Vulgäre in uns angezogen hat», schrieb er 1863 in einem Aufsatz für den «Economist» mit leisem, weisem Spott. Bagehot freilich war ein unbedingter Verfechter der Monarchie, und das «Vulgäre» ihrer Präsentation akzeptierte er als notwendigen Tribut an die sich herausschälende Moderne.
    Seit Urzeiten sind die Briten, um das Wort von Elizabeths schottischer Großmutter aufzugreifen, «mit Royalty gefüttert» worden, unter wechselnden Monarchen, unter unterschiedlichen historischen Vorzeichen; Royalty gehört zu ihrer nationalen DNA.Das populäre Verständnis von der Geschichte des eigenen Landes orientiert sich in England nicht vorrangig an Epochen wie Mittelalter, Spätmittelalter, frühe Neuzeit und so weiter, sondern an der Abfolge der
kings and queens
– von den Normannen über die Plantagenets, die Tudors, Hannoveraner und Windsors, darin eingebettet die Laufzeiten einzelner Herrscher, von Heinrich V. und Heinrich VIII. über die große Elizabeth zu George III. und seinen Söhnen, dann zu Königin Victoria und bis zur heutigen Queen. Eine nahtlose Nationalgeschichte, die sich nacherzählen lässt wie ein großes Epos. Mit Elizabeth II. und dem Auf und Ab ihrer Familie ist die britische Gesellschaft von heute groß geworden. Man glaubt, die Queen zu kennen, wie ein
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