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Elfennacht 01. Die siebte Tochter

Elfennacht 01. Die siebte Tochter

Titel: Elfennacht 01. Die siebte Tochter
Autoren: Frewin Jones
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– all das hatte auf sie merkwürdig vertraut gewirkt. Als sie jedoch später ihren Eltern davon erzählte, weil sie dachte, sie wären früher mal dort gewesen, als sie klein war, hatten diese beteuert, dass sie mit ihr noch nie dort gewesen seien.
    Das Sonderbarste aber war das weltberühmte Labyrinth gewesen. Es war ein großes Dreieck mit lauter schmalen, gewundenen Gängen aus hohen, blickdichten Hecken. Natürlich wollte so ziemlich jeder Schlossbesucher sein Orientierungsvermögen testen und den Weg ins Herz des Irrgartens finden. Alle aus dem Schulbus hatten sich hineingedrängelt. Und die Jungs hatten groß getönt, dass sie als Erste im Zentrum sein würden. Es war das totale Chaos gewese n – die meisten hatten sich hoffnungslos verirrt und mussten von den Leuten, die auf den Holztribünen standen und dem Ganzen von oben zusahen, per Zuruf wieder zum Ausgang geleitet werden.
    Zuerst hatte Anita sich zurückgehalte n – angesichts der grünen Heckengänge überkam sie ein unerklärliches, unheimliches Gefühl. Doch dann hatte ihre beste Freundin Jade sie am Ärmel hineingezogen. Kaum war sie im Labyrinth gewesen, war etwas Merkwürdiges passiert: Irgendwie kannte sie den kürzesten Weg und lief zu der kleinen Statue im Zentrum, ohne auch nur ein einziges Mal falsch abzubiegen. »Na, wie findest du das?«, hatte sie lachend zu Jade gesagt. »Bin ich ein Genie oder was?« Aber Jade behauptete, das sei nur Glück gewesen.
    Am selben Nachmittag hatte sie ihn dann zum ersten Mal gesehen: Als der Bus in den Schulhof einbog, stand der tollste Junge, den sie je zu Gesicht bekommen hatte, draußen vor dem Schultor. Evan Thomas, ein neuer Schüler, der eben erst in die Gegend gezogen wa r …
    Sechs Monate später spielte sie nicht nur die Julia neben ihm als Romeo, sonder n – und das war noch verblüffende r – er war auch ihr erster richtiger Freund.
    Anfangs hatte Anita bei den Proben noch Angst gehabt, sich bei den komplizierten Sätzen zu versprechen oder auf der Bühne über ihre Füße zu stolpern, aber Evan war hilfsbereit und lieb gewesen. Wie sich herausstellte, hatte er auch einen tollen Humor. In der Sterbeszene am Schluss musste sie sich über ihn werfen, wenn er auf dem Boden lag, aber er kicherte so, dass sie ebenfalls losprusten musste. Nicht selten endeten die Proben damit, dass sie beide lachten und lachten und nicht mehr damit aufhören konnten.
    Da hatte es angefange n – aber auch bei den Mittagessen in der Schulmensa, wo sie über das Stück sprachen. Je öfter sie sich trafen, desto weniger redeten sie allerdings über »Romeo und Julia«. Nach ein paar Wochen war es dann vollkommen natürlich gewesen, sich nach der Schule zu verabreden und zusammen in ein Café zu gehen. Sie konnte sich noch lebhaft daran erinnern, wie sie ihm bei ihrem ersten richtigen Date gegenübergesessen hatte: Sie hatte ihm nur in die Augen gesehen und kein einziges Wort gehört, das er sagte.
    Es war ihr so unglaublich leicht gefallen, ihm all ihre geheimsten Wünsche und Sehnsüchte anzuvertraue n – Sachen, die sie niemandem sonst erzählte. Wie zum Beispiel, dass sie, wenn sie einen guten Abschluss schaffte, gern mit dem Rucksack durch Europa oder Amerika reisen wollte. Danach wollte sie auf die Universität gehen und vielleicht eine Laufbahn als Journalistin einschlagen. Und dan n – na ja, das weitere Leben. In der Weltgeschichte herumgondeln. Abenteuer erleben. Aber natürlich immer mit einem Zuhause, in das sie zurückkehren konnte: ein weißes Häuschen auf einer hohen Klippe mit Blick aufs Meer. Ein Mann. Kinder.
    Sie hatte auch jede Einzelheit aus seinem Leben wissen wollen. Doch er hatte nur mit den Achseln gezuckt und gesagt, es sei zu langweilig, um davon zu erzählen. Er habe Verwandte in Wales, aber mit denen verstehe er sich nicht so gut. Um von ihnen wegzukommen, war er nach London gezoge n – und hatte sie gefunden! Da hatte sein Leben erst so richtig angefangen, das behauptete er zumindest.
    »So ein Quatsch«, hatte sie zu ihm gesagt, aber natürlich hatte es ihr doch geschmeichelt.
    Er trug immer ein breites Lederarmband am Handgelenk, in das ein kleiner, flacher schwarzer Stein eingesetzt war und das mit zwei Riemchen verknotet war. Angeblich ein Familienerbstück, von dem er sich nie trennen würde. »Wieso nicht?«, hatte sie fasziniert gefragt. »Was hat es für eine Bedeutung?« Aber er hatte nur gelächelt.
    »Irgendwann erzähle ich’s dir mal«, hatte er geantwortet. »Nicht jetz
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