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Elfennacht 01. Die siebte Tochter

Elfennacht 01. Die siebte Tochter

Titel: Elfennacht 01. Die siebte Tochter
Autoren: Frewin Jones
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Ruhe«, sagte sie mit irischer Sprachmelodie. »Keine hastigen Bewegungen.«
    Anita blinzelte. »Wie spät ist es?«
    »Halb fünf«, sagte die Krankenschwester. »Du hast den ganzen Nachmittag geschlafen.«
    »Wie geht es Evan?« Sie hatte einen trockenen Mund und einen seltsamen, bitteren Geschmack auf der Zunge.
    »Dein Freund?«, fragte die Krankenschwester. »Ihm geht’s gut.« Sie drehte sich leicht und zeigte schräg hinter sich. »Er liegt da hinten.«
    Anita musste sich anstrengen, um alles klar erkennen zu können. Ihr Bett stand am einen Ende des Zimmers, in dem es fünf weitere Betten gab. Auf der gegenüberliegenden Seite, jenseits einer grauen Linoleumfläche am anderen Ende des Zimmers, sah sie ein Bett mit einer flachen, reglosen Gestalt unter der Decke. Evan lag mit bleichem Gesicht und geschlossenen Augen da.
    »Geht es ihm schlecht?«, flüsterte Anita.
    »So schlimm ist es nicht«, sagte die Krankenschwester. »Er schläft.«
    »Wird er sterben?« Anitas Stimme klang brüchig und ihr brannten Tränen in den Augen.
    »Aber nein, natürlich nicht«, sagte die Krankenschwester. »Er ist nur bewusstlos, seit ihr beide hierhergebracht wurdet. Aber die Ärzte meinen, ihm fehlt nichts Ernstes.« Sie lächelte. »Es ist in etwa so, als hätte sich sein Gehirn abgekapselt, damit seine Selbstheilungskräfte in Gang kommen. Er kann jederzeit aufwachen.« Sie sah Anita an. »Hast du Durst? Kann ich dir etwas zu trinken bringen?«
    »Ich habe Kopfschmerzen.«
    »Das ist nicht weiter ungewöhnlich, wenn man mit dem Kopf gegen eine Brücke knallt, Anita«, sagte die Schwester lächelnd. »Was hast du denn gedacht?«
    »Es war ein Geburtstagsgeschenk«, sagte Anita und stützte sich auf ihren einen Ellbogen, um Evan besser sehen zu können. »Die Bootsfahrt, meine ich.«
    »Also hast du heute Geburtstag?«, fragte die Schwester. Sie lächelte schief. »Na, das ist hier natürlich der passende Ort, um Geburtstag zu feiern!«
    »Nein, eigentlich erst morgen«, sagte Anita. »Ich hab morgen Geburtstag.« Sie blickte in das gutmütige Gesicht der Krankenschwester. »Ich kann mich nicht mehr wirklich erinnern, was passiert ist.«
    »Das Boot ist außer Kontrolle geraten und gegen einen der Pfeiler der Lambeth Bridge geknallt, wurde mir gesagt.«
    Plötzlich sah Anita wieder vor sich, wie das Mauerwerk auf sie zuraste, und sie riss die Arme hoch. »Ja, genau!«, stieß sie hervor. »Wir sind gegen die Brücke gefahren.« Sie atmete tief durch und ließ die Hände sinken. »Kann ich zu ihm und mit ihm sprechen?«
    »Vielleicht später. Im Moment solltest du dich lieber noch schonen.«
    »Schwester!« Die Stimme kam aus einem Bett vom anderen Ende der Station.
    »Ich komme.« Die Krankenschwester drückte Anita sanft ins Kissen zurück. »Versuch, noch etwas zu schlafen«, sagte sie. Sie zeigte auf einen Knopf, der an einem Kabel vom Kopfende des Bettes herunterhing. »Wenn du etwas brauchst, musst du nur draufdrücken.«
    »Ja, mach ich«, sagte Anita leise zu der Schwester, die sich schon zum Gehen gewandt hatte. »Danke.«
    Sie legte sich hin und drehte den Kopf so, dass sie Evans Bett am Ende des Zimmers im Blick hatte.
    Was für ein Schlamassel. Dabei hatte alles so toll angefangen.
    Große Tränen liefen ihr übers Gesicht, aber tief in ihrem Inneren fühlte sie sich nur taub und leer.
    Es ging auf Mitternacht zu. Um Anitas Bett waren die Vorhänge zugezogen. Ihre Mutter und ihr Vater saßen nebeneinander auf Stühlen am Bett.
    Sie hatten eine Ausnahmegenehmigung erhalten, auch außerhalb der normalen Besuchszeiten bei ihrer Tochter bleiben zu dürfen, solange sie ruhig waren und keinen der anderen Patienten störten.
    In genau viereinhalb Minuten würde Anita sechzehn werden.
    Was für ein Geburtstag!
    »Wir haben allen Bescheid gesagt«, sagte Mrs Palmer. »Die Gartenparty ist verschoben, bis du wieder zu Hause bist.«
    Anita hatte sich aufgesetzt und lehnte an einem Berg Kissen. Ihr ging es schon wieder etwas besser: Sie hatte einen klareren Kopf und auch die schlimmsten Schmerzen in ihren Armen und Beinen sowie im Rücken hatten nachgelassen. Doch sie machte sich noch immer Sorgen um Evan. Er war immer noch nicht aufgewacht.
    Die Krankenschwester hatte ihr gesagt, dass ihm körperlich nichts fehle. Aber warum wachte er dann nicht auf?
    »Schade, dass die Party nun erst mal ins Wasser fällt«, sagte ihr Vater und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Ich hatte mich schon so gefreut, den ganzen Nachmittag im
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