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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht
Autoren: Bernhard Hennen
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unterwarfen, dann würden sie vernichtet werden.
    Skanga blickte durch das Tor ins Dunkel. In warmem Gold erstrahlte der Weg, der vor ihnen lag. Sie sah ihn anders als die Scharen der Krieger, die ihm noch folgen würden. Ihr magisches Auge erkannte seine wahre Beschaffenheit. Er war wie ein dickes Seil aus hunderten Fasern gedreht. Nur die Alben verstanden es, Magie zu solch wunderbaren Zaubern zu weben.
    Die Begeisterung, mit der die jungen Krieger ihren Angriff führten, hatte etwas Ansteckendes. Sie konnten heute siegen! Warum noch Jahre warten?
    Skanga stieß den Stab steil in die Luft. »Vorwärts, meine Kinder, wie es euer König befiehlt! Schneller! Ich führe euch ins Herz der Verderbnis. Zur Königsburg Emerelles!«
    An der Seite Branbarts reihte sie sich in die Schar der Angreifer ein.
    Der Schritt durchs Tor erforderte den meisten Mut. Man verließ festen Boden, um auf einen Pfad zu treten, der aus nichts anderem als Licht bestand. Hunderte Male hatte Skanga es schon getan, und doch war es immer wieder aufs Neue ein Kampf, sich dem Zauber der Alben anzuvertrauen. Die Schamanin wusste besser als alle anderen, was es bedeutete, ins Nichts zu gehen, in jene Dunkelheit, die jenseits des dünnen Gespinstes aus Magie lag.
    Misstrauisch musterte die Schamanin das weitmaschige Netz aus blauen und grünen Kraftlinien, das sich schützend über den goldenen Pfad wölbte. Blau, diese Farbe der Magie, war Skanga immer verschlossen geblieben. Sie speiste sich aus der Weite des Himmels und der Kraft der Sturmwinde. Für sie war es stets so gewesen, als versuche sie einen Lufthauch zu greifen, wenn sie die Magie des Himmels in ihre Zauber hatte einbinden wollen. Sie spürte die Kraft, und doch war es ihr unmöglich, sie zu binden.
    Skanga spähte ins Dunkel jenseits der Pfade. Draußen, in der unermesslichen Finsternis, lauerten die Yingiz. Ein rätselhaftes Volk, das von den Alben einst ins Nichts zwischen den Welten vertrieben worden war. Die Schamanin spürte, dass sie dort waren, doch sie konnte sie kaum sehen. Die Yingiz waren von Furcht einflößender Art. Sie hatten keine Aura.
    Alles, was lebte, war von einer pulsierenden Aura aus vielfarbigem Licht umgeben. Die Auren zu sehen, war das Erste gewesen, was Skanga gelernt hatte, nachdem sie ihr Augenlicht verloren hatte. Erst viel später vermochte sie Schatten zu fühlen, wenn vor ihr ein Felsblock oder etwas anderes Unbelebtes aufragte.
    Skanga blickte erneut auf das Netz aus blauen und grünen Fäden. Es war zu weitmaschig, fand sie. Und doch hielt es die Yingiz fern. Bald würden sie in Scharen den goldenen Pfad umlagern. Wenn etwas Lebendiges in das Nichts eindrang, dann wurden sie von dessen Aura angezogen wie Nachtfalter vonder Flamme einer Öllampe.
    Die Yingiz vermochten die Zauber der Alben nicht zu durchdringen, aber wehe denen, die den goldenen Pfad verließen. Die Schattengestalten waren Seelenfresser. Wer hier in der Finsternis zwischen den Welten starb, der würde niemals wiedergeboren werden.
    Die Schamanin war ein gutes Stück auf dem Weg gegangen, als sie etwas an der Schulter streifte. Branbart, ihr König, ging dicht hinter ihr. Sie spürte die Wärme der Fackel, die er in der Linken hielt. Ihr Licht konnte die Dunkelheit jenseits der Schutzzauber gewiss nicht erhellen.
    Skanga roch Branbarts Angst. Ein säuerlicher Geruch, der sich mit dem Duft nach Met, ungegerbtem Leder und Rauch mischte.
    »Dauert es noch lange?«, fragte der König heiser.
    »Ja!«, entgegnete sie ungehalten. Tagelang hatte sie versucht, ihm diesen Angriff auszureden. Jetzt war es zu spät, um noch umzukehren. Wenn Branbart seine Krieger nun zurückschickte, dann würde er all sein Ansehen als König verlieren. Niederlagen oder allzu blutige Siege vergaßen Trolle schnell. Feigheit nicht.
    Skanga überquerte einen Albenstern, an dem sich vier goldene Pfade kreuzten. Wie ein kunstvoller Knoten waren sie miteinander verwoben.
    Sodann deutete sie auf die blasse, rote Flamme, die neben einem Pfad brannte, der nach links führte. Einen ganzen Tag lang hatte sie damit verbracht, den Weg durch das goldene Netz zu markieren. Trotzdem würden gewiss etliche Krieger verloren gehen. Angst machte blind. Aber das spielte keine Rolle. Siege wurden mit Blut erkauft.
    Sie waren Tausende, und sie gingen alle hintereinander. Vermutlich waren immer noch nicht alle Krieger durch das Tor auf der Eisebene der Snaiwamark geschritten. Die Letzten würden den Pfad wohl erst betreten, wenn die
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