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Elfenlicht

Elfenlicht

Titel: Elfenlicht
Autoren: Bernhard Hennen
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schützen zu müssen. Und ihm war tatsächlich nichts geschehen! Warum die Yingiz ihn verschonten, hatte Skanga nie begriffen. Vielleicht war er zu fremdartig. Womöglich verschmähten die Yingiz auch Wesen, die nicht aus Fleisch und Blut waren.
    Erneut erklang ein gellender Schrei, der abrupt abbrach. Trolle verschmähten die Seelenfresser jedenfalls nicht.
    »Schneller!«, drängte Branbart.
    Skanga ignorierte ihren König und ging gemessenen Schrittes weiter. Sie hob und senkte ihren Stab, und das Echo dröhnender Schilde folgte ihr. War der Weg schmaler geworden?
    Nein, nein ... Ihr magisches Auge spielte ihr einen Streich! Das konnte nicht sein! Sie zwang sich, ruhig zu atmen, und presste den Albenstein auf ihr Herz. Er verstärkte ihre Magie und verlieh ihr eine Macht, die fast an jene sagenumwobenen Kräfte ihrer Schöpfer heranreichte. Es hieß, wer drei Albensteine besaß, der könne alles vollbringen. Doch jedem der Albenvölker war nur ein Stein geschenkt worden, und sie wurden eifersüchtig gehütet.
    Die Schamanin dachte an Emerelle. Sie besaß den Stein, der den Elfen geschenkt worden war. Sollte Branbart nur aus dem Schädel der Königin trinken. Sie würde Emerelles Albenstein an sich nehmen! Wenn sie ihn erst besaß, würde sie ihr Volk künftig vor allen Gefahren schützen können.
    Wieder erreichten sie einen Albenstern; diesmal kreuzten sich sieben Pfade. Skanga verharrte. Waren sie schon bei dem Stern angelangt, über den Atta Aikhjarto wachte? Die Schamanin musterte eingehend das verschlungene Knotenmuster der Kraftlinien. Nein, es war noch ein gutes Stück Wegs bis zum Tor in Emerelles Thronsaal.
    Da war ein Geräusch ... Ein fernes Jaulen? Es war in ihrem Kopf ... Die Yingiz! Es hieß, dass die Yingiz an Macht gewannen, wenn man zu lange im Nichts verweilte. Sie fanden einen Weg, jene zu verlocken, die schwach waren. Wie um Skangas Gedanken zu bestätigen, erklang erneut ein Schrei.
    Die Schamanin strauchelte. Sie hatte sich den Fuß vertreten. Stechender Schmerz peinigte ihren rechten Knöchel. Den Fuß vertreten? Das konnte doch nicht ...
    Weitere Schreie gellten durch die Finsternis. Da sie stehen geblieben war, erstarb das Krachen der Schilde. Der stechende Geruch der Angst hing in der Luft.
    Skanga blickte auf ihre Füße. Sie versanken langsam im goldenen Pfad, so wie man auf einem regenweichen Lehmweg einsank.
    Immer neue Schreie tönten vom Anfang der Marschkolonne.
    Was ging dort vor sich? Skanga hob den Stab. Es musste vorwärts gehen! Schließlich war es nicht mehr weit bis zum Thronsaal der verfluchten Königin. Sie durften sich jetzt nicht aufhalten lassen. Der aufgeweichte Weg, die Todesschreie, das waren die Boten des letzten Widerstands!
    Skanga blickte wieder auf ihre Füße. Der Arm, mit dem sie den Stab hob, verharrte inmitten der Bewegung. Der Pfad! Wie ein dickes Seil, das sich Strang für Strang auflöste, zerfaserte er.
    »Zurück! Lauft!«, schrie die Schamanin und packte Branbart beim Arm.
    Die Krieger vor ihnen kehrten um und drängten auf dem schmaler werdenden Weg zurück. Dutzende Kämpfer stürzten in die Finsternis und waren sofort von wirbelnden schwarzen Schlieren umgeben. Wie lange, dünne Würmer wurde das Lebenslicht aus ihren Leibern gezerrt.
    Skanga versetzte dem Krieger, der ihr entgegenkam, mit ihrem Stab einen Schlag ins Gesicht. Vergebens! Sie wurde zur Seite gestoßen. Die Finsternis griff nach ihr. Dann brauste es in ihren Ohren. Sie fiel in den endlosen Abgrund. Gestalt gewordene Dunkelheit griff nach ihr.

DER FLUCH

    Skanga riss den Stab hoch über den Kopf. Kälte griff nach ihren Gliedern. Das Ende war nahe. Wie ein Wollfaden wand sich zitternd das Licht aus ihrer Brust. Branbart starrte sie mit schreckensweiten Augen an. Ihm entwich das Lebenslicht durch seine großen Nasenlöcher.
    Die Trollschamanin drehte den Stab langsam. Ihre zitternden Lippen formten die Worte, die sie einst von Matha Naht gelernt hatte. Dünn wie eine Eierschale umschloss sie ein Kokon aus stählernem Licht.
    Skanga zerrte Branbart dicht an sich heran. Der König krümmte sich wimmernd wie ein Neugeborenes. Seine Hände krallten sich schmerzhaft in ihre Schultern. Metschwerer Atem schlug der Schamanin ins Gesicht.
    Noch immer stürzten sie. Das Geschrei war erstorben. Tränen rannen über Skangas Gesicht. Die Seelen tausender junger Krieger waren vergangen. Die Schamanin spürte den Jubel der Yingiz. Ein solches Festessen hatte es noch nie gegeben. Ein ganzes Heer war
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