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Elfenkind

Elfenkind

Titel: Elfenkind
Autoren: Inka-Gabriela Schmidt
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anderen Dingen zu.
    Sollte sie den Wonderbra anziehen und das optisch ausgleichen, was Mutter Natur etwas zu geizig gewährt hatte? Ihre Brüste hatten zwar prinzipiell eine schöne runde Form, waren aber wie alles an ihr zu klein. Andererseits – so war sie halt und seit sie bei den Eternal Romantics war, spielte das auch keine so große Rolle mehr.
    Stirnrunzelnd stellte sie fest, dass sich Schlüsselbein und Rippen durch die Haut abzeichneten. Seit wann denn das? Sie würde noch mehr essen, obwohl sie kaum Appetit hatte. Wenigstens war ihr Po rund und knackig, nicht flach wie ein Brett.
    Seufzend riss sie sich von ihrem Spiegelbild los, nahm die Sachen, die sie anziehen wollte, aus dem Kleiderschrank und breitete sie auf ihrem Bett aus.
    Lara kündigte sich per SMS an, kaum dass Aliénor fertig angekleidet und geschminkt war. Bin gleich da. Warte draußen.
    Aliénor zog ihren langen dunkelvioletten Mantel mit dem großen Revers und den langen schwarzen Manschetten über. Sie richtete sorgfältig die weißen Rüschen ihrer Bluse, damit sie über dem Kragen des Mantels lagen. Ein knöchellanger schwarzer Samtrock und schwarze Schnürstiefeletten mit Plateausohlen rundeten ihr Outfit ab. Ihre feinen weißblonden Haare hatte sie mit viel Schaum und Spray zu einer wilden Löwenmähne gestylt.
    Zufrieden drehte sie sich vor dem Spiegel. Mit dem entsprechenden Outfit sah sie nicht mehr so mager aus. Kräftig getuschte Wimpern und ein schimmernder Lidschatten unterstrichen das tiefe Blaugrün ihrer Augen und gaben ihnen mehr Leuchtkraft. Die künstlich nachgezogenen Brauen wanden sich in einem harmonischen Schwung nach oben und verliehen ihrem Gesicht einen bedeutungsvollen Ausdruck. Besonders stolz aber war Aliénor auf den mohnroten Lippenstift mit feinem Glitterstaub. Er sah einfach großartig aus und hob sich auf ihrer hell gepuderten Haut als besonderer Farbtupfer ab.
    Aliénor stieg vorsichtig die Treppe hinab, eine Hand auf dem Handlauf des Treppengeländers, um sich festzuhalten, falls sie stolpern sollte. Der lange Rock und die Plateausohlen waren alles andere als treppentauglich. Sie raffte mit der freien Hand den Stoff ein wenig hoch, um nicht draufzutreten.
    «Aliénor!»Sie verdrehte die Augen. Am liebsten hätte sie das Haus einfach verlassen und Geoffreys auffordernden Ruf ignoriert. Aber sie wusste, damit wäre der nächste Streit schon wieder vorprogrammiert, und sie hatte sich doch fest vorgenommen, nicht schon wieder auf Konfrontationskurs zu gehen. Aus Erfahrung wusste sie, dass das ohnehin nichts brachte. Geoffrey war so hartnäckig, ihr am nächsten Morgen, nach einer Woche, wann auch immer Vorwürfe zu machen. Am liebsten hätte er ihr wohl Hausarrest erteilt, wenn ihm etwas nicht passte. Aber diesem Alter war sie definitiv entwachsen. Wenn sie nur verstehen würde, warum er immer so einen Aufstand machte. War er denn nie jung gewesen? Konnte er wirklich überhaupt nicht verstehen, was in ihr vorging?
    Aliénor schob die angelehnte Wohnzimmertür ein Stück auf und streckte den Kopf daran vorbei, um ein Lächeln bemüht. «Gute Nacht, Papa», sagte sie so freundlich wie möglich.
    Geoffrey sah sie missbilligend über den Rand der Tageszeitung an. «Hast du wieder diesen Fummel an?»
    Aliénor spürte wie ihr Lächeln einfror. «Muss ja nicht dein Geschmack sein», erwiderte sie steif. Eigentlich hatte sie nichts anderes erwartet, aber seine Ablehnung tat ihr doch immer wieder weh. Konnte er nicht einfach mal nett sein und ihr sagen, dass sie gut aussah? Wenn sie dabei an Laras Vater dachte – der war richtig stolz darauf, so eine hübsche Tochter zu haben.
    «Du bist spätestens um Mitternacht zurück!»
    Sie hatte schon wieder eine schnippische Bemerkung auf der Zunge, aber als sie den sanften Druck einer Hand auf ihrer Schulter spürte, sagte sie nur «Ja, ja, Papa» und schloss die Tür. Sie drehte sich um und sah ihrer Mutter ins Gesicht.
    Chantal lächelte sie entschuldigend an. « Il faut que tu le comprennes. Er macht sich Sorgen, wenn du unterwegs bist. Die Nacht ist gefährlich für junge Mädchen. In seinem Job sieht er bestimmt viele schreckliche Dinge.»
    « Oui, maman , ich weiß. Aber deswegen muss er mich trotzdem nicht ständig behandeln, als ob ich noch ein Teenager wäre. Ich pass schon auf mich auf.»
    Gemeinsam gingen sie zur Tür. Chantal schob Aliénor einen Geldschein in die Manteltasche.
    «Viel Spaß. Nimm dir ein Taxi, wenn dich niemand nach Hause bringen kann, dem du
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