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Elfenherz

Titel: Elfenherz
Autoren: Holly Black
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die Gummifliesen, dazu mehrere Filmrollen, ein Schulbuch - Hamlet -, das
sie längst gelesen haben sollte, Zopfgummis, ein zerknülltes Kaugummipäckchen und ein Reise-Pflegeset, das ihre Mutter ihr zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Mit bebenden Händen öffnete sie es: Pinzette, Nagelschere, Rasierer glänzten in dem trüben Licht. Valerie nahm die Schere und befühlte die dünnen, scharfen Klingen. Dann packte sie ein Büschel Haare und machte sich daran, sie abzuschneiden.
    Als sie fertig war, lagen Locken wie kupferfarbene Schlangen rund um ihre Turnschuhe. Val strich sich über ihren kahlen Kopf. Er war schleimig von der rosa Flüssigseife und fühlte sich gleichzeitig so rau an wie eine Katzenzunge. Sie starrte ihr Spiegelbild an, das ihr nun hässlich und fremd entgegensah, mit gnadenlosem Blick und schmalem Mund. An ihren Wangen klebten Härchen wie dünne Metallspäne. Einen Augenblick lang wusste sie selbst nicht, was das Gesicht im Spiegel davon hielt.
    Der Rasierer und die Nagelschere fielen klirrend ins Waschbecken, als der Zug erneut ruckartig anfuhr. Wasser schwappte in der Kloschüssel.
    »Hallo?«, fragte jemand von der anderen Seite der Tür. »Was ist da los?«
    »Bin gleich fertig«, rief Val zurück. Sie spülte den Rasierer unter dem Wasserhahn ab und legte ihn in ihren Rucksack, den sie sich über die Schulter warf. Dann riss sie einen Haufen Klopapier ab, feuchtete es an und ging in die Hocke, um ihre Haare einzusammeln. Als sie sich wieder aufrichtete, fiel ihr Blick zufällig auf den Spiegel. Diesmal
schaute ein junger Mann zurück, dessen Züge so fein waren, dass sie fürchtete, er könne sich überhaupt nicht wehren. Val blinzelte, öffnete die Tür und trat in den Gang hinaus.
    Sie ging zu ihrem Platz zurück und spürte im Vorbeigehen, wie die anderen Passagiere vor ihrem Anblick zurückwichen. Durchs Zugfenster beobachtete sie, wie die Vorstadtwiesen vorbeizogen, bis sie in einen Tunnel fuhren und sie ihr neues Alien-Spiegelbild entdeckte.

    Als der Zug in den unterirdischen Bahnhof fuhr, stieg Val aus und lief durch die Abgase zu einer schmalen Rolltreppe. Obwohl sie nicht funktionierte, wurde Val im Strom der Menschen nach oben geschoben. Massenweise Pendler verstopften die Penn Station. Mit gesenkten Köpfen hasteten sie aneinander vorbei und an Ständen mit Ketten, Schals und Glasfaserblumen, die in wechselnden Farben leuchteten. Valerie hielt sich dicht an einer Wand und passierte einen verdreckten Mann, der unter einer Zeitung schlief, und eine Gruppe rucksackreisender Mädchen, die sich auf Deutsch anschrien.
    Die Wut, die sie im Zug erfüllt hatte, verebbte, und Val bewegte sich wie eine Schlafwandlerin durch den Bahnhof.
    Zum Madison Square Garden musste sie noch eine weitere Rolltreppe hoch und an einer Taxischlange und an Ständen mit süßen Erdnüssen und Würstchen vorbeigehen. Ein Mann reichte ihr einen Flyer, den sie wieder zurückgeben wollte, aber der Mann war schon weitergegangen,
und so stand sie da mit einem Zettel in der Hand, der »LIVE GIRLS« versprach. Sie zerknüllte ihn und steckte ihn in die Tasche.
    Dann drängte sie sich durch einen engen Gang voller Leute und wartete an der Kartenkasse. Der junge Mann hinter der Scheibe blickte auf, als sie Toms Ticket hindurchschob. Er wirkte erstaunt, vielleicht weil sie keine Haare mehr hatte.
    »Kann ich das Geld zurückbekommen?«, fragte Val.
    »Sie haben schon eine Eintrittskarte?«, fragte er mit zusammengekniffenen Augen, als versuchte er, genau herauszufinden, wie sie ihn bescheißen wollte.
    »Ja«, erwiderte sie. »Mein blöder Exfreund hat’s nicht geschafft.«
    Jetzt drückte seine Miene Verständnis aus und er nickte. »Alles klar. Also, ich kann dir kein Geld zurückgeben, weil das Spiel schon angefangen hat, aber wenn du mir beide Tickets gibst, kann ich dich upgraden.«
    »Super«, sagte Val und lächelte zum allerersten Mal auf diesem Trip. Tom hatte ihr das Geld für sein Ticket schon gegeben, und es erfüllte sie mit Genuguung, dass sie einen besseren Platz ergattert hatte.
    Der Typ am Schalter gab ihr die neue Eintrittskarte und sie schob sich durch das Drehkreuz und schwamm in der Menge weiter. Die Leute stritten hitzig, die Gesichter waren rot. Es stank nach Bier.
    Val hatte sich auf dieses Spiel gefreut. Die Rangers spielten eine Supersaison. Aber auch wenn sie nur halb so gut
gewesen wäre, kam sie immer ins Schwärmen, wenn Männer über das Eis glitten, als wögen sie nichts, wenn sie
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