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Elfenherz

Titel: Elfenherz
Autoren: Holly Black
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auf den weißen Kufen balancierten. Dagegen wirkte Lacrosse grobschlächtig - Typen, die über den Rasen rumpelten. Doch als Val nach dem Zugang zu ihrem Platz suchte, bekam sie Magenschmerzen. Den anderen Besuchern bedeutete das Spiel so viel wie ihr früher auch, aber nun schlug sie nur die Zeit tot, bis sie wieder nach Hause musste.
    Sie fand den Zugang und ging zu ihrem Platz. Die meisten Leute saßen schon, und sie musste an einer Gruppe rotgesichtiger Jungen vorbei, die sich die Köpfe verrenkten, um an ihr vorbei durch die Trennscheibe dorthin zu blicken, wo das Spiel bereits lief. Es roch kalt im Stadion, wie nach einem Schneesturm. Doch selbst als ihre Mannschaft einem Tor entgegenschlitterte, musste sie an ihre Mutter und Tom denken. Sie hätte nicht einfach so gehen sollen. Sie wünschte, sie könnte den Abgang noch einmal machen. Mit ihrer Mutter hätte sie sich gar nicht abgegeben. Sie hätte Tom eine reingehauen, und dann hätte sie ihn nur angesehen und gesagt: »Von ihr habe ich nichts anderes erwartet, aber du enttäuschst mich.« So wäre es perfekt gewesen. Sie hätte auch seine Autofenster einwerfen können, aber der Wagen war sowieso schon Schrott, das konnte sie sich sparen.
    Sie hätte auch zu Tom nach Hause gehen und seinen Eltern von dem Tütchen Gras erzählen können, das er zwischen Matratze und Lattenrost versteckt hatte. Das und die Sache mit Vals Mutter hätten vielleicht gereicht, damit
sie ihn in ein Erziehungscamp für Freaks schickten, die mit Müttern pennten und sich Drogen reinzogen.
    Was ihre Mutter anging, sähe die süßeste Rache so aus, dass sie ihren Vater anrufen und ihre Stiefmutter Linda bitten würde, das Telefon auf laut zu stellen. Dann würde sie ihnen die ganze Geschichte erzählen. Vals Vater und Linda führten eine Musterehe von der Sorte, bei der zwei niedliche sabbernde Kinder rauskamen und blitzsauberer Teppichboden, was Val normalerweise nicht ausstehen konnte. Aber indem sie es ihnen erzählte, würde die Geschichte ihnen gehören, und sie könnten sie überall herumerzählen, sie Vals Mutter im Streit vor die Füße werfen und sie ihren Golfpartnern erzählen, um sie ein wenig zu schocken. Es war aber Vals Geschichte und sie wollte allein darüber bestimmen.
    Das Publikum schrie auf. Um sie herum sprangen alle auf. Ein Rangers-Spieler hatte einen aus der gegnerischen Mannschaft umgehauen und zog jetzt seine Handschuhe aus. Als der Schiedsrichter den Ranger packte, rutschte sein Schlittschuh und ritzte die Wange des anderen Spielers auf. Nach ihrem Abtransport starrte Val auf das Blut auf dem Eis. Ein Mann in Weiß betrat das Spielfeld und kratzte es ab und in der Pause glättete der Zamboni das Eis, aber ein roter Fleck blieb, weil das Blut so tief gesickert war. Sogar als Vals Mannschaft das Siegtor schoss und wieder alle um sie herum aufsprangen, konnte Val den Blick nicht von dem Blut lösen.
    Nach dem Spiel lief Val mit der Menge hinaus auf die
Straße. Der Bahnhof lag nur wenige Meter entfernt, aber sie konnte die Vorstellung, nach Hause zu gehen, nicht ertragen. Sie wollte ihre Heimkehr hinauszögern, bis sie sich etwas überlegt und die Dinge besser überblickt hatte. Allein bei dem Gedanken, in den Zug zu steigen, drehte sich ihr der Magen um; sie geriet in Panik, ihr Puls raste.
    Sie ging einfach weiter und merkte nach einiger Zeit, dass die Hausnummern kleiner und die Häuser älter wurden, bis sie in immer schmalere Straßen geriet und der Verkehr sich beruhigte. Als sie links abbog, weil sie glaubte, dass dort das West Village lag, kam sie an geschlossenen Modegeschäften und ordentlich geparkten Autos vorbei. Sie wusste nicht genau, wie spät es war, aber es musste ungefähr Mitternacht sein.
    In Gedanken beschäftigte sie sich ununterbrochen mit den Blicken, die Tom und ihre Mutter getauscht hatten, die aus jetziger Sicht eine andere Bedeutung gewannen. Sie hätte es merken müssen. Sie sah das Gesicht ihrer Mutter vor sich, diese merkwürdige Mischung aus Schuldbewusstsein und Ehrlichkeit, als sie Val gedrängt hatte, auf Tom zu warten. Bei der Erinnerung zuckte Val zusammen, als wollte ihr Körper eine Last abwerfen.
    Sie blieb stehen und holte sich ein Stück Pizza in einem verschlafenen Laden, in dem hinten eine Frau mit einem Einkaufswagen voller Flaschen saß, Sprite mit dem Strohhalm trank und vor sich hin sang. Der heiße Käse verbrannte Val den Gaumen, und als sie auf die Uhr schaute, begriff sie, dass sie den letzten Zug nach Hause
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