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Elfenherz

Titel: Elfenherz
Autoren: Holly Black
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hinterließen Dreck auf diversen Videospiel-Hüllen. Sie hörte, wie das Plastik unter ihren Schuhen knackte, und kickte einige andere Hüllen in Sicherheit.
    Im Badezimmer, das an den Flur grenzte, zog sie ihr Trikot aus. Nachdem sie sich mit einem Waschlappen unter den Armen abgerieben und mit Deo eingesprüht hatte, zog sie die anderen Sachen an und hielt nur kurz inne, um die aufgeschürfte Haut an ihren Händen zu begutachten.
    »Das war’s für dich«, hatte der Trainer gesagt. Sie hatte eine Dreiviertelstunde in seinem Büro gewartet, während alle anderen trainierten, und als er endlich hereinkam, ahnte sie schon, was er sagen würde. »Wir können dich in der Mannschaft nicht länger gebrauchen. Alle finden, dass
du den Gemeinschaftsgeist untergräbst. Wir müssen eine Einheit bilden, mit einem einzigen Ziel: zu gewinnen. Das verstehst du doch, oder?«
    Es klopfte einmal, dann ging schon die Tür auf. Ihre Mutter stand auf der Schwelle, die perfekt manikürte Hand noch auf der Klinke. »Was ist mit deinem Gesicht passiert?«
    Val saugte die verletzte Lippe in den Mund und betrachtete ihr Spiegelbild. Das hatte sie ganz vergessen. »Nichts, kleine Panne beim Training.«
    »Du siehst schrecklich aus.« Ihre Mutter quetschte sich ins Zimmer und schüttelte ihren kürzlich frisch getönten blonden Bob, als sie beide ihr Spiegelbild betrachteten. Jedes Mal wenn ihre Mutter vom Friseur kam, hatte er noch mehr und noch hellere Akzente gesetzt, bis ihr ursprünglich braunes Haar in einer gelben Flutwelle unterzugehen drohte.
    »Vielen herzlichen Dank«, schnaubte Val, aber sie ärgerte sich nicht wirklich. »Ich komme zu spät. Zu spät, zu spät, zu spät. Wie das weiße Kaninchen.«
    »Warte.« Vals Mutter drehte sich um und ging aus dem Zimmer. Val folgte ihr mit dem Blick in den Flur mit der gestreiften Tapete und den Fotografien der Familie. Ihre Mutter als Vize-Schönheitskönigin, Valerie mit Zahnspange neben ihrer Mutter auf dem Sofa. Oma und Opa vor ihrem Restaurant. Noch mal Valerie, diesmal bei ihrem Vater, mit ihrer Halbschwester als Baby auf dem Arm. Das Lächeln auf ihren erstarrten Gesichtern sah aus wie auf einem Cartoon; die Zähne waren zu weiß.

    Ihre Mutter kam direkt wieder zurück, diesmal mit einem Schminktäschchen im Zebralook bewaffnet. »Halt still.«
    Valerie zog einen Flunsch und schaute von ihren grünen Lieblingschucks hoch, die sie gerade zuband. »Ich habe keine Zeit. Tom kann jeden Moment auftauchen.« Da sie ihre Armbanduhr vergessen hatte, schob sie ihrer Mutter den Blusenärmel hoch, um nachzusehen. Es war noch später als spät.
    »Tom kommt auch alleine rein.« Valeries Mutter tauchte einen Finger in eine zähflüssige Tönungscreme, die sie sanft tupfend unter Vals Augen verteilte.
    »Meine Lippe ist kaputt, nicht meine Augen.« Val hatte was gegen Make-up. Immer wenn sie lachte, kamen ihr auch die Tränen und verschmierten das Make-up, als hätte sie geheult.
    »Ein bisschen Farbe im Gesicht könnte dir nicht schaden. In New York geht es schicker zu als hier.«
    »Wir gehen zu einem Hockeyspiel, Mom, nicht in die Oper.«
    Ihre Mutter gab einen Seufzer von sich, in dem wie immer mitschwang, dass Val irgendwann herausfinden würde, wie falsch sie lag. Dann fuhr sie mit einem Puderpinsel über ihr Gesicht, den sie erst in getönten Puder und dann in ungetönten Puder getunkt hatte. Danach gab es noch mehr Puder auf die Augen. Valerie musste an den Junior-Abschlussball im letzten Sommer denken und hoffte inständig, dass ihre Mutter nicht vorhatte, ihr wieder
so einen klebrigen Schimmerlook zu verpassen. Als sie schließlich Vals Mund mit Lippenstift bemalte, brannte ihre Wunde.
    »Bist du fertig?«, fragte Val, als ihre Mutter Mascara auftragen wollte. Ein Blick auf ihre Uhr zeigte, dass der Zug in einer Viertelstunde abfuhr. »Scheiße? Ich muss gehen. Wo bleibt er denn, zum Teufel?«
    »Du kennst Tom doch«, sagte ihre Mutter.
    »Was willst du damit sagen?« Sie begriff wirklich nicht, warum ihre Mutter immer so tun musste, als würde sie Vals Freunde besser kennen als sie selbst.
    »Er ist ein Junge.« Vals Mutter schüttelte den Kopf. »Verantwortungslos.«
    Valerie fischte ihr Handy aus dem Rucksack und scrollte im Adressbuch zu seinem Namen. Sie landete auf seiner Mailbox, brach den Anruf ab und schaute aus dem Fenster. Die Nachbarkinder übten Skateboardfahren an einer Sperrholzrampe, aber Toms schwerer Caprice Classic war nicht in Sicht.
    Sie versuchte noch einmal, ihn
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