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Elf Zentimeter

Elf Zentimeter

Titel: Elf Zentimeter
Autoren: Stefan Scheiblecker
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den Fingern meine Lider und leuchtete mir mit der Taschenlampe in die Augen, um die Reaktion der Pupillen zu testen. »Guten Morgen«, sagte sie. »Entschuldige, aber das muss ich für die Dienstübergabe machen.«
    »Hallo«, murmelte ich verschlafen.
    »Hast du es dir überlegt?«, sagte sie sofort.
    Ich hatte es mir überlegt.
    »Gibst du mir deine Telefonnummer?«, fragte ich.
    »Sie liegt schon auf deinem Nachtkästchen, siehst du? Sie steht auf dem gelben Zettel.«
    »Ich rufe dich an.«
    Sie lächelte.
    Ich schlief noch eine Runde, dann kam das Frühstück. Ich haute ordentlich rein. Jakob im Bett neben mir war ziemlich beeindruckt davon, dass die schöne Marianna mir ihre Telefonnummer gegeben hatte. Vielleicht wird ja jetzt alles besser, dachte ich. Vielleicht hat sie damals meinen Schwanz gesehen und mag mich gerade deshalb. Vielleicht gibt es solche Frauen und sie ist eine davon.
    Vielleicht musste ich das Glück einfach nur beim Schopf packen. Mein Motorrad war zwar Schrott und Sabine war vielleicht für immer weg, aber ich hatte offenbar sogar mittelschwer verletzt noch genügend Charme, um gut aussehende Blondinen zu betören. Ich bin im Rennen, dachte ich zufrieden und schüttete im selben Atemzug Kaffee über mein Nachthemd, weil ich zu unkonzentriert trank.
    Jakob lachte über mich, aber nur kurz, weil ihm gleich darauf die Rippen wehtaten. Worüber dann wieder ich lauthals lachte. Ich war gut gelaunt und hatte das Gefühl, dass nun wirklich alles besser werden würde.
    Mein Handy klingelte. Ich erschrak dermaßen, dass ich meine Kaffeetasse ganz umkippte. Zum Glück war sie inzwischen leer. Jakob lachte noch mehr und hielt sich vor Schmerzen die Rippen. Ich zeigte ihm freundschaftlich den Mittelfinger und nahm den Anruf entgegen.
    »Kannst du dich noch an mich erinnern?«
    Es war eine Frauenstimme.
    »Nein«, sagte ich. Das war die Wahrheit.
    »Nach deinem allerersten Auftritt …«, deutete sie an.
    »Johanna? Vor Kurzem erst habe ich an dich gedacht.«
    Vierhundert Besucher waren ins Kulturzentrum von Hainfeld gekommen, um mein Programm über Tourismusburgen auf Ibiza zu bewundern. Viele hatten gar nicht mehr hineingepasst und mussten wieder abziehen. Nach den Jubelrufen am Ende stieg mein Selbstvertrauen ins Unendliche, besonders als ich auch noch einiges getrunken hatte. Ich taumelte mit Johanna in ein nahegelegenes Wäldchen. Sie wolle mir etwas zeigen. Kaum traten wir in den Schatten unter den Bäumen, krempelte sie ihren langen Rock hoch. Es dauerte nur wenige Sekunden, aber es komplettierte dennoch den schönsten Abend meines Lebens. Später fragte ich mich sogar, ob ich mir das Ganze nur eingebildet oder im Suff geträumt hatte. Denn schon am nächsten Tag fehlten in meiner Erinnerung die Details. Saukalt war es in dem Wald, das wusste ich noch, schließlich war Dezember, wenn auch ein für Hainfelder Verhältnisse eher warmer Dezember. Den Namen des Mädchens wusste ich auch noch, und dass Johanna jetzt anrief, bedeutete endgültig, dass das Ganze nur real gewesen sein konnte. Womöglich hatte ich mich gar nicht so übel angestellt. Womöglich hatte ich dabei ausnahmsweise eine richtig gute Figur gemacht.
    »Nett, dass du anrufst.«
    So freundlich wie ich waren die Hollywood-Stars bestimmt nicht, wenn sie nach Motorradunfällen sogar noch im Krankenhaus von ihren Groupies gestalkt wurden. Aber ich hatte eben Charakter.
    »Ich wollte dir etwas sagen«, sagte Johanna.
    Teneriffa wartete auf mich. Vielleicht konnte Johanna einfach mitkommen. Marianna und Johanna, das reimte sich sogar. Ich stellte mir vor, wie wir zu dritt im Pool plantschten. Wenn die Frauen unter Konkurrenzdruck standen, kam es auf die Länge meines Gerätes nicht mehr so an. Für die, die ich auserwählte, würde ich auf jeden Fall ein Sieg sein.
    »Hallo Stefan?«, sagte Johanna gerade. »Ich verstehe schon, dass dich das ein bisschen schockiert, aber gar nichts zu sagen, ist auch nicht sehr nett.«
    »Entschuldige bitte, ich war kurz abgelenkt. Was genau schockiert mich, meinst du?«
    »Dass ich von dir im sechsten Monat schwanger bin.«
    Für eine Sekunde wuchs einem der Mädchen in meiner Pool-Fantasie ein gewaltiger runder Bauch. Im nächsten Moment verbannte ich das Bild aus meinem Kopf. Für immer.
    »Was? Schwanger? Von mir? Im sechsten Monat?«
    Ich rechnete nach. Dezember bis Juni. Verdammt, das ging sich tatsächlich aus.
    »Du hast ja meine Nummer«, sagte sie, »also ruf mich einfach an.«
    Sie legte
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