Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben
Autoren: Mark Watson
Vom Netzwerk:
Kopf.
    »Ich glaube, das ist nichts für uns. W-w-wir haben mehr so den Draht zu den Nachteulen. Du weißt schon. Wir sind zu ungewöhnlich für …«
    Xavier sieht in Murrays braune Augen und merkt, wie sie sich verändern, als würde irgendein chemischer Wirkstoff Tropfen für Tropfen hineingeträufelt.
    »Moment mal. M-m-meinst du, wir oder nur … nur du?«
    Xavier spielt an seinem Ärmelaufschlag.
    »Er sprach von einem kleinen Stühlerücken. Dass er mich mit anderen zusammenspannen will. So was halt.«
    Murray sagt gar nichts.
    »Ich habe schon vorher alle möglichen Angebote bekommen«, sagt Xavier schließlich, »aber es kam mir immer falsch vor. Aber, na ja. Wir machen diese Sendung ja jetzt schon eine ganze Weile. Ich hab irgendwie das Gefühl, es ist vielleicht Zeit, mal was Neues auszuprobieren.«
    Murray schluckt, und sein Adamsapfel zwängt sich sichtbar in seine Kehle. Er trinkt einen großen Schluck Bier und wischt sich mit der Hand über die Lippen.
    »Sie würden dich natürlich als Produzenten behalten.«
    Murrays Gesicht ist leicht gerötet.
    »Würden sie nicht. I-i-ich bin doch nur wegen dir dabei.«
    »Ich würde dafür sorgen, dass du dabei bleibst.«
    »Aber ich könnte nicht mehr moderieren. Sie w-w-w-w-w-wollen mich nicht als Moderator. Sie lassen mich nur deinetwegen weitermachen.«
    Xavier spürt, wie die Röte von den Wangen seines Freundes auf seine eigenen übergreift.
    »Ich bin nicht blöd, Xav. Ich …« Er nimmt Anlauf für den Satz. »Ich wäre überhaupt nicht im Radio.«
    »Aber das ist doch keine Grundlage für eine Freundschaft.«
    »Was?«
    »Dass ich dir einen Gefallen tue. Das ist für keinen von uns beiden fair.«
    Murray dreht seinen großen Kopf hin und her und sieht sich im Pub um, als erwartete er ein dramatisches Einschreiten eines Dritten, irgendeine Enthüllung, dass all das ein abgekartetes Spiel ist. Er sieht Xavier an.
    »War das die Idee von deiner Freundin?«
    »Was?«
    »Na ja, es ist schon irgendwie komisch«, sagt Murray und nickt langsam, »komisch, dass du nie irgendein Problem mit der Sendung hattest, und dann erscheint sie auf der B-b-bildfläche und liegt dir in den Ohren –«
    »Sie liegt mir nicht in den Ohren.«
    »Na ja, aber auf jeden Fall hast du dich verändert, seit sie aufgetaucht ist.«
    »Ich weiß.«
    Murray stürzt den Rest seines Biers hinunter. Außerhalb der Kneipe führen Leute ihre Hunde spazieren, inspizieren gebrauchte Bücher, stehen im Supermarkt Schlange und rufen ihre Kinder.
    »Du hast deinen Entschluss also gefasst?«
    Xavier ist überrascht, es so ausgedrückt zu hören, denn es gab eigentlich keinen Prozess des ›Entschlussfassens‹. Aber dass es so plötzlich kam, macht es nicht weniger endgültig.
    »Ja.«
    »Dann gibt es ja nicht mehr viel zu sagen.«
    Trotzdem sieht Murray für einen Moment aus, als könnte er gleich alles Mögliche sagen. Er steht auf und geht schnell zur Toilette, wobei er mit der Hüfte an einem Stuhl eines Familientischs hängen bleibt und das Gespräch unterbricht. Als er weitergeht, macht eins der Kinder irgendeine Bemerkung, und die Eltern lachen und blicken sich dann schuldbewusst um.
    In der Bar, wo Alessandro Romano vor ein paar Wochen glaubte, sich in Edith Thorne verliebt zu haben, sitzt er seit kurz nach Feierabend um ein Uhr morgens mit einem italienischen Freund und betrinkt sich. Nachdem er alle rausgeschmissen, die Tür abgeschlossen und sich versichert hatte, dass absolut niemand mehr im Lokal war, rief er Marco an, und zwanzig Minuten später plünderten sie die Bar. Sie haben eine Flasche Gin getrunken und etwas Wein; Alessandro hat sogar einen Cocktail gemixt, den silbernen Shaker fachmännisch gehalten, geschüttelt, auf die Bar schlagen lassen und den Inhalt schwungvoll in die Gläser geschüttet, während sein Freund in die Stille hineinkicherte. Es hatte nur die erste halbe Stunde etwas Beängstigendes, jetzt ist ihm scheißegal, was passiert. Er will diesen Job nicht, er will nicht in diesem Land bleiben. Er wird einfach weiter trinken, und dann kann Marco die beiden in Alessandros Wagen zu ihm fahren, oder Alessandro fährt die Karre halt selber, wenn Marco nicht will, wen juckt’s?
    Auf der Rückfahrt zur Bayham Road ist es still, aber als der Escort knirschend am Bordstein heranfährt, sagt Murray: »Gute Sendung heute.«
    »Ja«, stimmt Xavier zu, dankbar, dass die Stille gebrochen ist. Er räuspert sich. »Danke fürs Heimfahren.«
    »Ich fahr dich doch immer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher