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Elf Arten der Einsamkeit - Short stories

Titel: Elf Arten der Einsamkeit - Short stories
Autoren: Richard Yates
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Fäusten den Takt, und ihr brei- tes Grinsen ließ den Text etwas entstellt klingen:

    »Fa he's a jally guh fella
Fa he's a jally guh fella
Fa he's a jally guh fellah
That nobody can deny!«

    Mit weichen Knien trat Ralph einen Schritt auf dem Tep- pich zurück, blieb mit weit aufgerissenen Augen stehen, schluckte und hielt sich an seinem Mantel fest. »That no- body can deny!« sangen sie, »That nobody can deny!« Und als sie schwungvoll zum zweitenmal den Refrain anstimm- ten, tauchte plötzlich Eddies kahlköpfiger Vater, in jeder Hand einen Glaskrug Bier, strahlend und lauthals mitsin- gend hinter den Eßzimmervorhängen auf. Schließlich häm- merte Skinny den Refrain ein letztes Mal in die Tasten:
    »That-no-bod-dee-can-dee-nye!«
     Dann drängten alle jubelnd herbei, faßten Ralph an der Hand und klopften ihm auf die Arme und auf den Rük- ken; er stand zitternd da, seine Stimme ging im Getöse unter. »Mensch, Jungs ... danke. Ich ... ich weiß gar nicht, was ich ... danke, Jungs ... «
     Auf einmal teilte sich die Menge in zwei Hälften, und durch die Mitte schritt Eddie langsam nach vorn. Seine Augen schimmerten, er lächelte liebevoll, und an seiner Hand hing linkisch die Reisetasche – nicht seine eigene, sondern eine neue: die große gelbbraune Gladstone- Tasche, die ein Seitenfach mit Reißverschluß hatte.
      »Ansprache!« riefen die anderen anfeuernd. »Ansprache! Ansprache!«
     Aber Ralph konnte weder sprechen noch lächeln. Er konnte nicht einmal richtig sehen.

    Um zehn Uhr begann Grace in der Wohnung auf und ab zu gehen und sich dabei auf die Lippe zu beißen. Was, wenn er nicht kam? Aber natürlich würde er kommen. Sie setzte sich wieder hin, strich sorgsam das an den Schenkeln gebauschte Nylon glatt und zwang sich, ruhig zu bleiben. Wenn sie nervös würde, wäre die ganze Sache dahin.
     Das Geräusch der Klingel durchfuhr sie wie ein elektri- scher Schlag. Auf halbem Weg zur Tür blieb sie stehen, atmete tief durch und sammelte sich wieder. Dann drückte sie den Summer und machte die Tür einen Spaltbreit auf, um auf der Treppe nach ihm Ausschau zu halten.
     Als sie merkte, daß er eine Reisetasche dabeihatte, und sein bleiches, ernstes Gesicht sah, dachte sie zunächst, er wisse Bescheid; er würde hereinkommen, die Tür hinter sich schließen und sie in die Arme nehmen. »Hallo, Lieb- ling«, sagte sie leise und öffnete die Tür etwas weiter.
     »Hallo, Schatz.« Er strich an ihr vorbei und ging nach drinnen. »Bin wohl 'n bißchen spät dran, wie? Warst schon im Bett?«
     »Nein.« Sie machte die Tür zu, lehnte sich mit dem Rücken daran und hielt dabei mit beiden Händen den Griff fest, etwa so wie Filmheldinnen. »Ich hab' bloß ... auf dich gewartet.«
     Er sah sie nicht einmal an. Er ging zum Sofa, setzte sich, nahm die Tasche auf den Schoß und ließ die Finger über das Leder gleiten. »Gracie«, sagte er fast flüsternd. »Schau dir das an.«
     Sie warf einen Blick auf die Tasche, dann in seine getrübten Augen.
     »Weißt du noch?« sagte er. »Ich hab' dir doch von der Reisetasche erzählt, die ich kaufen wollte. Vierzig Dollar.« Er hielt inne und sah in die Runde. »Hey, wo 's denn Mar- tha? Schon im Bett?«
     »Die ist fort, Liebling«, sagte Grace und bewegte sich mit langsamen Schritten in Richtung Sofa. »Die ist das ganze Wochenende fort.« Sie setzte sich neben ihn, rückte näher und bedachte ihn mit Marthas ganz speziel- lem Lächeln.
     »Ah ja?« sagte er. »Na egal, paß auf. Ich hab' doch dann gesagt, ich leih' mir statt dessen die von Eddie, weißt du noch?«
     »Ja.«
     »Tja, und heut abend im White Rose sag ich; Komm,
    Eddie, wir gehn nach Haus, deine Tasche holen. Und da sagt er: Ach was, Tasche. Darauf ich: Was soll'n das?, aber er rückt mit keinem Wort raus, verstehst du? Wir also zu ihm nach Haus, und da is' die Tür zum Wohn- zimmer zu.«
     Sie kuschelte sich an ihn und schmiegte den Kopf an seine Brust. Automatisch hob er den Arm, legte ihn ihr um die Schultern und sprach weiter. »Er sagt: Na los, Ralph, mach die Tür auf. Darauf ich: Was soll'n das wer- den? Und er wieder: Egal, Ralph, mach sie schon auf. Ich mach' sie also auf, und dann ... o Mann.« Seine Finger packten sie so fest an der Schulter, daß sie erschrocken zu ihm aufblickte.
     »Sie waren alle da, Gracie«, sagte er. »Die ganzen Kum- pel. Spielen Klavier, singen, sind voll am Jubeln ...« Seine Stimme zitterte, seine Augenlider begannen mit feuchten Wimpern zu
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