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Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards

Titel: Elbenthal-Saga Bd. 1 - Die Hüterin Midgards
Autoren: Ivo Pala
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zwischen zwei Sitzreihen.
    Fahr los!, betete sie zum Zug, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Fahr los und bring mich fort von hier. Fort von diesem Albtraum!
    Doch der Zug erhörte ihr verzweifeltes Gebet nicht. Im Gegenteil: Die Lichter gingen aus, und das leise Sirren der Lok versiegte zu tödlicher Stille. Dieser Zug fuhr heute Nacht nirgendwo mehr hin. Svenya fluchte und überlegte, ob sie aussteigen sollte. Andererseits war das Abteil ein gutes Versteck. Sie reckte ihren Kopf, um über den unteren Rand des Fensters über ihr nach draußen zu spähen. Ihr Atem stockte. Da vorne stand der Finstere, Laurin, auf dem Bahnsteig. Ganz in ihrer Nähe. Wie ein Wolf schnüffelte er die Luft.
    Konnte er sie etwa tatsächlich wittern?
    Ihre Frage wurde gleich im nächsten Moment beantwortet, als er sich mit einer schnellen Drehung zu ihr umwandte und ihr direkt in die Augen blickte. Sein unheilig schönes Gesicht verzog sich zu einem triumphierenden Lächeln, und Svenyas rasendes Herz stolperte vor Schreck. Dann fing sie sich jedoch wieder und rannte aus dem Abteil in das nächste … und durch zwei weitere … bis sie schließlich am Ende des Zuges angelangt war und auf der dem Bahnsteig gegenüber liegenden Seite aus der Tür hinunter auf die Gleise kletterte.
    Aber wohin jetzt?
    »Komm heraus, Prinzessin«, hörte sie Laurin rufen, und der verspielt amüsierte Singsang in seiner Stimme jagte ihr eine Gänsehaut über den Rücken. »Du kannst dich nicht verstecken. Nicht vor mir.«
    Laurins Schritte kamen immer näher. Svenya schaute sich eilig nach einer Fluchtmöglichkeit um. Da sah sie am Rand der Gleise einen Kanalisationsschacht – gerade schmal genug für sie. Sie hasste die Kanalisation. Schon öfter hatte sie sich auf der Flucht vor dem Jugendamt und der Polizei dort verstecken müssen; es gab keinen unheimlicheren Ort für sie. Doch die Alternative, von Laurin gefangen genommen zu werden, war nicht akzeptabel. Und weil Mut meistens nichts anderes ist, als das kleinere Übel zu wählen und damit das gerade noch Akzeptable dem völlig Inakzeptablen vorzuziehen, ging Svenya eilig in die Hocke und quetschte sich durch den Schacht hindurch ins Dunkel des Abwassersystems.
    Es stank nach Urin und Moder – ganz in ihrer Nähe hörte sie eine Ratte davonrennen. Sie drehte sich erschrocken um und sah das Tier um die nächste Ecke des mannshohen Abwasserrohrs biegen. Mehr verwundert als erschrocken sah Svenya der Ratte nach. Wieso konnte sie das Tier sehen? Normalerweise war es hier unten so dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen erkennen konnte.
    Die Schritte oben auf dem Bahnsteig über ihr kamen immer noch näher, und instinktiv schlug Svenya den gleichen Weg ein, den die Ratte genommen hatte.
    Nur weg von hier!
    Sie hoffte inständig, dass Laurin den Schacht nicht entdecken würde – oder dass der Schacht wenigstens zu schmal für ihn war, um hineinzukriechen. Doch dann wusste sie plötzlich, dass ihre Hoffnung vergeblich war, denn die Schritte kamen nach wie vor näher. Aber jetzt kamen sie von hier unten. Also hatte er es entweder doch geschafft, oder er hatte einen anderen Weg hier herunter gefunden.
    Svenya rannte los … um die Ecke … und blieb gleich darauf abrupt stehen. Denn genau vor ihr stand – Wargo!
    In dem winzigen Moment, ehe sie aus einem Reflex heraus zuschlug, hatte sie ihn erkannt, obwohl er jetzt seltsamerweise nicht mehr die Fratze eines wilden Tieres hatte, sondern das Gesicht eines normalen jungen Mannes – eines schlecht rasierten jungen Mannes mit ziemlich struppigem Haar. Er hatte sie angegrinst – mit perlweißen, aber jetzt plötzlich ganz normalen Menschenzähnen. Bevor sie zugeschlagen hatte jedenfalls. Jetzt flog er zu Svenyas großer Überraschung von dem Schlag, mit dem sie ihn an der Brust getroffen hatte, meterweit nach hinten.
    Wie zur Hölle hatte sie das geschafft? Sie hatte nicht einmal besonders viel Kraft in den Schlag gesteckt – es war ohnehin mehr ein instinktives Hauen gewesen als ein gezielter Schlag .
    Dort, wo Wargo gegen die Wand krachte und zu Boden fiel, tauchte jetzt der Wolf auf, richtete seinen bernsteinfarbenen Blick auf Svenya und begann drohend zu knurren. Er war um einiges kleiner als oben auf dem Parkdeck. Wieder wunderte sich Svenya darüber, dass die Sicht hier unten so gut war. Sie konnte nicht eine einzige Lampe oder Leuchte entdecken.
    »Stilla, Brodhir«, sagte Wargo und rappelte sich mit einem Lächeln im Gesicht auf. Ruhig,
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