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Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor

Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor

Titel: Elbensturm: Die Zwerge von Elan-Dhor
Autoren: Frank Rehfeld
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und ihn wachgerüttelt hatte.
    »Ist alles in Ordnung, Herr?«, fragte sie. »Ihr habt geschrien und Euch wild hin und her geworfen.«
    Lhiuvan antwortete nicht, sondern lauschte in sich hinein. Aber die Stimme des Schattenmahrs blieb stumm, und auch sonst war von der Bestie nichts zu spüren. Wenigstens für den Moment besaß er die alleinige Kontrolle über seinen Körper.
    »Schon gut«, murmelte er und ließ sich wieder zurücksinken.
    Was früher für ihn selbstverständlich gewesen war, bedeutete nun reinste Wonne. Seit sie sich in Tal’Orin befanden, hatte sich der Schattenmahr weitgehend zurückgezogen und ließ ihn gewähren. In welcher Form hätte Lhiuvan ihm hier schon schaden können? Die Nocturnen, die einzigen Bewohner der Ruinenstadt, hatten sich der Bestie unterworfen und waren ihr treu ergeben.
    Die Kämpfe auf dem Weg nach Tal’Orin und der erfolglose Versuch, das Tor zu öffnen, hatten den Schattenmahr viel Kraft gekostet. Gut zwei Wochen lag das nun schon zurück, aber noch immer schien er sich davon nicht völlig erholt zu haben und kümmerte sich wenig um das, was um ihn herum vorging.
    So genoss Lhiuvan die Gelegenheiten, wenn er Herr über seinen eigenen Körper war, auch wenn er wusste, dass er dennoch die Ketten der Sklaverei trug, so locker diese zurzeit auch sein mochten. Sollte er doch etwas unternehmen, um die Pläne des Schattenmahrs zu durchkreuzen, oder gar versuchen, sich selbst zu töten und ihn dadurch seines Werkzeugs zu berauben, würde dieser ihn sofort daran hindern, darüber machte sich Lhiuvan gar keine Illusionen.
    Er warf einen Blick zum Fenster. Es war mit einem schweren Tuch verhängt, doch auch an den Seiten sickerte keinerlei Licht durch. Draußen war es also noch dunkel. Er konnte nicht lange geschlafen haben, wahrscheinlich höchstens eine Stunde. Sein Herzschlag hatte sich wieder normalisiert, dennoch wusste er, dass er nicht wieder einschlafen würde. Er wollte es auch gar nicht. Obwohl die Wirklichkeit schlimmer als jeder böse Traum war, fürchtete er sich davor, wieder in den Albtraum zurückzugleiten.
    Stattdessen schwang er die Beine von seinem Lager und stand auf. Wenn er Glück hatte, war einer der anderen Elben noch wach, die der Schattenmahr wie ihn unter seine Kontrolle gezwungen hatte, indem er einen winzigen Teil von sich in sie verpflanzt hatte. Ansonsten würde er allein ein wenig durch die Stadt schlendern.
    Seine Versuche, sich mit den Nocturnen zu unterhalten, hatte Lhiuvan bereits nach kurzer Zeit aufgegeben. Sie verehrten den Schattenmahr in ihm, fürchteten ihn zugleich aber auch. An ihm selbst, dem Elb, in dessen Körper er hauste, hatten sie keinerlei Interesse. Dadurch war es unmöglich, mit ihnen ein vernünftiges Gespräch zu führen.
    Umso mehr überraschte es ihn, als Aila ihn plötzlich ansprach, als er schon fast die Türöffnung erreicht hatte.
    »Wie … wie ist es, ihn in sich zu tragen?«, stieß sie hervor.
    Lhiuvan verharrte und wandte sich zu ihr um.
    »Was?«
    Sie trat ein paar Schritte auf ihn zu. Ihre dunklen Augen, die anders als bei den übrigen Angehörigen ihres Vol kes nicht faustgroß waren, sondern kaum größer als die eines Elben, musterten ihn scheu. Aber sie unterschied sich auch noch auf andere Weise grundlegend von den übrigen Nocturnen. Ihre Haut war zwar ebenfalls totenbleich, weil auch sie das Licht der Sonne nicht vertrug, aber wenigstens sah sie nicht aus wie ein zusammengeknülltes Blatt Papier, voller Falten und durchzogen von unzähligen tiefen Fur chen. Stattdessen war ihre Haut glatt und ebenmäßig.
    Entweder hatte sie eine Mutation durchgemacht, oder sie war keine reinrassige Nocturne, obwohl Lhiuvan sich nicht vorstellen konnte, wie dies möglich sein sollte, da ihr kleines Volk hier völlig abgeschieden von der Außenwelt lebte. Er hatte sie ein paarmal darauf angesprochen, aber nur ausweichende Antworten erhalten.
    »Khraátam der Große, Fürst der Schattenmahre«, sagte sie. »Der Beherrscher von Welten. Er ist fast schon ein Gott. Wie ist es, ihn in sich zu tragen?«
    Wäre nicht alles so todernst gewesen, hätte Lhiuvan bitter gelacht. Wie es war, einen Schattenmahr in sich zu tra gen, in seinem eigenen Körper hilfloser Sklave einer Bestie zu sein, deren Ziel es war, die Welt zu erobern und in einen Ort des Grauens zu verwandeln? Es ist das Schrecklichste, was man sich vorstellen kann , hätte die ehrliche Antwort lauten müssen, doch sie auszusprechen, wäre ein Fehler gewesen, falls der
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