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Eistod

Eistod

Titel: Eistod
Autoren: Michael Theurillat
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die Uhr.
    »Theater spielen … Bienen züchten. Wenn ich’s wüsste, dann hätte ich’s vermutlich längst getan.«
    »Ich sehe dich schon zwischen Honigtöpfen, in Imkeruniform und mit rauchender Zigarre. Oder als Winnie the Pooh in einer Kindervorstellung im Theater am Hechtplatz.« Burri grinste.
    Eschenbach schüttelte den Kopf. Er sah sich als König Lear.
    »Es muss ja nicht gleich so was Abgefahrenes sein«, kam es in aufmunterndem Ton. »Geh unter die Leute, ins Museum von mir aus. Schau dir wieder mal die Impressionisten an.«
    Eschenbach musste niesen.
    »Das ist Medizin für die Seele, glaub mir. So zwischen alten Meistern und jungen Kunststudentinnen …«
    Der Kommissar dachte an Elsbeth, eine amour fou während der Skiferien in den Flumser Bergen. Das war nach der Scheidung von Milena, seiner ersten Frau. Jetzt stand er vor der zweiten – eine Runde weiter also.
    »Da war doch diese Studentin aus Bern …«, Christoph Burri zwinkerte ihm zu. »Glaub mir, ein Flirt produziert bei uns mehr Testosteron als das ganze Pharmazeugs.«
    »Dann liegt es bei mir doch an den Hormonen?«
    »Nein. Die Hormonwerte sind okay, für dein Alter.«
    »Mein Alter ist auch dein Alter, mein Lieber.« Eschenbach wunderte sich über die Härte in seinem Tonfall.
    »Eben. Deshalb sag ich, Flirten hilft.«
    Der Kommissar suchte in der Jackentasche nach einem Taschentuch. Wieder musste er niesen. »Ach, was ich dich noch fragen wollte: Nimmt Kathrin eigentlich die Pille?«
    »Das solltest du besser wissen als ich, sie ist deine Tochter. Aber wenn du fragst … wir haben es miteinander besprochen.«
    »Und?«
    »Sie ist fünfzehn, das ist etwas früh. Wenn es irgendwie geht, sollte sie noch warten.« Nach einer Kunstpause fügte er hinzu: »Trotzdem, ich habe ihr vorsorglich ein Rezept ausgestellt.«
    Eschenbach schwieg.
    »Ich dachte, es ist dir recht, wenn du noch nicht Großvater wirst.« Burri lächelte.
    Dem Kommissar gefiel der Gedanke tatsächlich nicht. Auch wenn Kathrin nicht seine leibliche Tochter war; man würde ihn Opa rufen – und das reichte. »Das ist schon okay«, sagte er. Was ihn mehr beschäftigte, war die Frage, wie weit Kathrin in ihrer pubertierenden Neugier schon gegangen war. Gab es einen Freund? Jetzt, da sie nicht mehr im gleichen Haushalt lebten, spürte er die Distanz zwischen ihnen. Sie schmerzte ihn mehr als das Stechen in der Brust und die brennenden Augen.
    Er verabschiedete sich von Burri. Als Eschenbach mit Nasentropfen, Grippemitteln und einer Packung Vitamin C in der Manteltasche die Arztpraxis verließ, war es früher Nachmittag.
    Es hatte angefangen zu schneien. Dicke Flocken suchten den Weg durch den Nebel und die feuchte Kälte fuhr dem Kommissar bis ins Mark. Beim Römerplatz nahm er die Tram; holpernd und schnäuzend ging es den Berg hinunter bis zum Bellevue. Dort stieg er wieder aus. Die trockene Heizluft im Wageninnern und das Gehuste der anderen hatten ihm den Rest gegeben. Mit heißem Kopf und fröstelnden Gliedern schleppte er sich langsam entlang der Limmat Richtung Rathaus. In Gedanken lag er längst in der Badewanne, mit Mozart und einer Tasse Lindenblütentee. Wird schon besser, dachte er. Da fiepte sein Handy.

    Es war alles gelaufen, als der Kommissar am Tatort erschien.
    Martin Z. hatte sich vor dem Crazy Girl selbst gerichtet. Zuvor hatte er der Prostituierten Nora K. ein halbes Magazin Kugeln in die Brust gefeuert und dem Türsteher Josef M. einen glatten Lungendurchschuss verpasst. Die Position von Opfer und Täter, beide tot, war sorgfältig markiert worden und die Spuren der Ereignisse, die sich vom Zimmer über Flur und Treppe bis vor das Lokal zogen, ordnungsgemäß fotografiert. Gewebe-, Blut- und Haarproben steckten bereits in Plastiktütchen, und der Krankenwagen war mit Blaulicht Richtung Triemli-Spital unterwegs. Ob der Türsteher durchkommen würde, war ungewiss.
    »O du fröhliche«, sagte Eschenbach, nachdem er sich vom Schlamassel ein Bild gemacht hatte. Er zog an seiner Brissago und hustete den Rauch in die kalte Dezemberluft. »Und morgen ist Heiligabend.« Etwas abseits der Hektik sah der Kommissar den Leichenwagen. Er stand quer auf dem Gehsteig. Ein schmächtiger Mann in dunklem Anzug versuchte Schneeketten über das rechte Hinterrad zu ziehen.
    Eschenbach ging die paar Schritte zu dem schwarzen Kombi und hörte, wie der Mann fluchte. »Geht’s?«, fragte er.
    »Einen Scheißdreck geht’s!« Der Mann rasselte mit den Ketten, stand auf und holte
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