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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
Autoren: Birgit Schlieper
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an.
    »Aber Carl will kein Bier. Er will Kohle. Das versteht unsere liebe Enya aber nicht. Sie hat doch so einen Liebeskummer.« Seine Stimme zerschneidet die abgestandene Luft.
    Zoe guckt von Carl wieder zu Enya. Was wird hier gespielt?
    Enya geht einen Schritt zur Seite, lehnt sich an den Esstisch, sucht irgendwo Halt. Als sie endlich was sagt, spricht sie zum Fenster. »Ich dachte wirklich, wir könnten in Ruhe reden. Ich dachte, in dir sei doch noch ein guter Kern, der noch nicht von Hass und Brutalität zerfressen ist. Ich habe mich in dir getäuscht. In dir auch, Zoe. Aber ich glaube, wir haben beide ein ähnliches Motiv.«
    Zoe guckt wieder zu Carl. Ihr Kopf fühlt sich an, als hätte jemand einen Strohhalm reingehalten und kräftig gepustet. Alle Worte, Gedanken wirbeln durcheinander. Sie kennt ihren Text nicht.
    Carl fällt in ihre Stille. »Du raffst es nicht, was? Enya hat sich in den smarten Carl verguckt. Zum Totlachen, was? Was wir auf den Fotos zwanghaft darstellen wollten, hat es wirklich gegeben. Wahrscheinlich wäre die liebe Lehrerin sogar noch weiter gegangen.«
    »Seit wann weißt du das?«, fragt Zoe fast tonlos.
    »Seit Sonntag. Da hat die liebe Enya mich das erste Mal angerufen und mich vollgesülzt.«
    »Sie haben sich in Carl ver-liebt ?« Zoe schafft es kaum, das Wort auszusprechen, starrt die Lehrerin an. Sieht deren feuerrote Zehennägel, die feuchten Hände, die sie an der Hose abstreift. Immer wieder. Sie registriert, wie sie im Dreieck stehen. Carl, Zoe, Enya. Aber wer ist an der Spitze? Sie beugt sich zu Enya und wiederholt flüsternd: »Sie haben sich in Carl verliebt?«
    »Das müsstest du doch verstehen, Zoe, oder? Ich war erst nur geschmeichelt. Vielleicht war ich auch einfach zu einsam und bin deswegen auf euch reingefallen. Ich war die letzten Tage bei einer Freundin, habe viel mit ihr gesprochen. Und Carl, ich glaube, dass es noch nicht zu spät ist für dich. Du bist doch gar nicht der geldgeile Kriminelle, den du hier mimst. Dafür bist du zu schlau.« Sie fängt an, an der Nagelhaut des kleinen Fingers zu kauen. Zieht ein Stück ab.
    Endlich schafft sie es auch, Carl anzusehen. In ihrem schwimmenden Blick ist ein kleines Flehen, eine große Hoffnung und viel Unglauben. Auf das hier ist sie an der Uni nicht vorbereitet worden. In keinem Seminar, in keiner Vorlesung.
    »Du meinst wahrscheinlich, dass es noch nicht zu spät für uns ist?« Carl lacht sein gemeines Lachen. »Stimmt. Wir können ja einfach einen anderen Deal machen. Wenn du so verknallt bist in mich, zahlst du für jede Nummer. Schade, Zoe, aber damit bist du raus.«
    Zoe sieht, wie Enya unter den Worten leidet, wie sie sich schmutzig fühlt. Sie sieht, dass die Lehrerin zu unverdorben ist hierfür. Und Zoe kann sie wirklich ein bisschen verstehen. Die Lehrerin ist zu jung für den Job, zu unerfahren. Sie war ein so leichtes Opfer, hat in Carl zunächst nur den Jungen aus dem Ghetto gesehen, dem sie helfen will. Und dann hat er sie umworben. Mit all seiner Kraft, seiner Kühnheit, seiner Körperlichkeit. Enya Alt hat sich einweben lassen wie von einer großen dunklen Spinne. Zoe sieht alberne Leonardo-Gläser in einer Vitrine, daneben ein silberhaariges Paar auf einem Foto. Sie sieht zwei Sofakissen in Herzform und einen billigen Ikea-Bilderrahmen an der Wand. Enya Alt hat einen Spruch gerahmt: »Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.«
    Dieser Tag hat seine Chance definitiv vertan.
    Zoe dreht sich zu ihr um. »Wissen Sie was, Frau Alt. Ich habe von Anfang an Ihre Naivität gehasst. Ihre Leichtigkeit, ihre Unbeschwertheit. Jetzt tut es mir leid, dass die weg ist. Vielleicht kommt sie ja wieder. Es ist vorbei.«
    Zoe holt aus ihrer Tasche eine CD. Die ist mit »EA« beschriftet. Carl erkennt sie sofort, weiß, was für einen Schatz Zoe in der Hand hält.
    »Woher hast du die?«
    Er hat sich mit einer schnellen Bewegung von der Wand abgestoßen. Der Bilderrahmen verrutscht leicht. Für einen kurzen Moment hat Zoe Angst, Carl könne ein Messer ziehen. Sie fixiert ihn genau.
    »Von deinem Kumpel. Ich wusste, dass du das Original da deponiert hattest.«
    Das war gelogen. Sie hatte es gehofft. Und Recht behalten.
    »Warum hat er sie dir gegeben?« Carl schreit sie an.
    »Ich habe das getan, was ich am besten kann.« Zoe wartet einen langen Augenblick, ehe sie weiterspricht – »Lügen.«
    Mit einem Ruck zerbricht sie die CD. Carl sieht aus dem Augenwinkel, wie Enya Alt die Ausdrucke – die
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