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Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Eisseele - Schlieper, B: Eisseele

Titel: Eisseele - Schlieper, B: Eisseele
Autoren: Birgit Schlieper
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Augenwinkel sieht sie ihn kommen. Sie erkennt ihn sofort. An seinem Gang, den Haaren, dem Schritt. Carl geht zwischen zwei Männern direkt auf das Auto zu. Einen abgebrochenen Augenblick lang sieht er Zoe an, guckt ihr direkt in die Augen. Ihr wird kalt. Sie versucht zu deuten, was ihr Carls Blick sagen will. Will er sie warnen? Oder war da Abscheu in seinen Augen? Glaubt er, sie habe ihn verraten? War es eine Aufforderung? Die Bitte, zu Enya Alt zu gehen, mit ihr zu reden? Zoe ist zerrissen, fühlt sich müde. So wie man nach einer langen Party hundemüde ist und gleichzeitig zu aufgedreht, um einzuschlafen. Carl muss hinten einsteigen. Einer der beiden Männer mit den regungslosen Gesichtern setzt sich neben ihn. Der andere steigt vorn ein, greift sofort zu einem Funkgerät. Zoe weiß, dass Carl es hasst, in einem Opel den Schulhof verlassen zu müssen. Er ist keiner der Typen, der sich was aus Autos macht. Er guckt keinem Porsche hinterher oder so. Aber einen Opel findet er mit Sicherheit indiskutabel.
    In der dritten Schulstunde, nach der großen Pause, sind die Gerüchte bei »Der hat eine Bank überfallen. Soll dick abkassiert haben« angekommen. Die Worte werden bei Zoe angespült. Auch die ganzen Mutmaßungen über seine Familie. Über einen kriminellen Bruder, über Cybermobbing an seiner vorherigen Schule. Und natürlich zeigen jetzt die Vorurteile ihre gemeinen Fratzen. Dass es ja nicht verwunderlich sei, bei einem wie Carl. Manchmal hätte er drei Tage lang hintereinander dieselben Klamotten angehabt. Und diese ausgetretenen Turnschuhe. No-Name noch dazu. Ein bisschen könne man das ja verstehen. Der Druck mithalten zu wollen, sei wohl zu groß geworden. All die Worte schwappen über Zoe weg. Sie hört sie, aber nimmt sie nicht wahr. Die ganze Zeit, jede Sekunde dieses Morgens rechnet sie damit, dass der Opel plötzlich wieder auftaucht. Dass die beiden Männer mit ihren zeitlosen Freizeitjacken wieder aussteigen und sie dann hinten Platz nehmen muss. Sie hätte sich auch eine andere Automarke gewünscht. Sie hört hinter ihrem Trommelfell fast schon, wie Saskia und Kim kurz höhnisch lachen werden. Sie malt sich aus, wie sich alle lang und fragend angucken werden. Zoe? Was hat die wohl verbrochen?
    Aber der Opel kommt nicht.
    Mitten in der dritten Stunde klopft es.
    Zoe schließt die Augen, bückt sich schon zu ihrer Tasche. Irgendein Schüler wird als Botengänger gebeten worden sein, Zoe aus der Klasse zu holen.
    Die Zoe Kessler soll mal ins Sekretariat kommen. Sie kann die Fistelstimme eines mickrigen Fünftklässlers richtig hören.
    Es ist ein Mädchen aus der fünften Klasse. Vom Chemieunterricht gegenüber. Da sei keine Kreide mehr. Ob sie ein Stück haben könnte. Zoe starrt sie an. Sie hatte gerade überlegt, ob sie nicht einfach aus dem Fenster springen und abhauen soll. Zur Autobahn, auf dem Rastplatz auf den ersten Lkw aus Italien oder Spanien warten und mitfahren bis zum Meer. Sie bleibt sitzen. Hält zumindest die Stunde noch durch. Danach entschuldigt sie sich mit Magenkrämpfen. Das ist noch nicht mal gelogen.
    Sie fährt zum See runter, muss überlegen. Muss jetzt genau nachdenken, was nun zu tun ist. Dass Carl von den Bullen abgeholt wurde, heißt, dass die Alt nicht verängstigt zahlt, sondern ihnen die Stirn zeigt. Aber warum haben sie nur Carl abgeholt? Durch die Übergabe-Adresse muss die Polizei doch wissen, dass auch Zoe mit im Boot ist. Wahrscheinlich ist Carl eh gerade dabei, ihr alles in die Schuhe zu schieben.
    Zoe stutzt. Natürlich. Die Bullen haben die Adresse aus dem Kleingartenverein, wo der Umschlag deponiert werden sollte. Aber sie müssen ja erst mal rauskriegen, wem der Schuppen gehört. Meisenweg 1 8 , Kleingartenverein Schwarze Rose.
    Zoe hatte Carl den alten Familienwitz erzählt. Dass sie und ihre Eltern immer heimlich Kleingartenverein Tote Hose gesagt hätten, weil da nur so alte Männer vor ihren Schuppen geschnauft und geschnarcht hätten. Carl hatte nicht darüber gelacht.
    Falls Carl sie also noch nicht in die Pfanne gehauen hat, muss sie warten, bis die Recherchen der Polizei bei ihr angekommen sind.
    Sie zückt ihr Handy, ruft die Auskunft an.
    »Ich hätte gerne die Nummer von der Kleingartenanlage Schwarze Rose.«
    Es dauert ein bisschen. Zoe vermutet, dass die Leute bei der Auskunft immer mindestens eine halbe Minute verstreichen lassen müssen, damit die Einheiten durchrasseln.
    »Wollen Sie mit dem Teilnehmer nach der Ansage der Nummer verbunden
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