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Eismord

Eismord

Titel: Eismord
Autoren: Giles Blunt
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Bilderbuch, anders kann man das wirklich nicht nennen. Ziemlich einmalig. Hat noch zwei Schlafzimmer.«
    »Nur ein Bad?« Eine andere Männerstimme. Auch mit ausländischem Akzent.
    »Ja, Sir. Man kauft es vielleicht nicht als ersten Wohnsitz, aber als Wochenendhaus im Norden? So ein Angebot können Sie lange suchen.«
    Ihre Schritte tappten in den Flur, das Licht ging aus.
    »Sehen Sie sich die anderen Zimmer an«, sagte der Mann, »danach hab ich noch einen kleinen Seelenwärmer für uns.«
    Sam wechselte die Stellung unter dem Bett. Sie hörte den Mann und die Frau in der Diele in einer Fremdsprache reden. Wie lange brauchten die, um sich einen kleinen Bungalow anzusehen?
Geht,
flehte sie.
Nun geht schon!
     
    Schritte wieder Richtung Küche oder Wohnzimmer, jedenfalls nicht mehr in der Diele. Die Leute gingen immer noch nicht, aber sie konnte sie zumindest nicht mehr hören.
    Sie versuchte, ruhig durchzuatmen und sich zu beruhigen. Sicher gingen sie bald. Vielleicht in ein paar Minuten.
    Aus dem Wohnzimmer Gläserklirren. Lachen. Sam betete, dass sie nicht vorhatten, für den Rest der Nacht zu einem Saufgelage zu bleiben.
    Sie wartete und dachte an das Fenster. Der Bungalow hatte einen offenen Grundriss, so dass man unmöglich bis zur Haustür kam, ohne entdeckt zu werden. Die Gartentür hatte sie nicht gesehen, aber sie musste irgendwo in der Nähe der Küche sein. Also durchs Fenster.
    Gibt es in dieser Situation irgendeinen Grund zur Dankbarkeit?, fragte sie sich. Einen einzigen kleinen Umstand, der die sprichwörtliche »dankbare Grundeinstellung« rechtfertigte, die ihr Vater ihr ständig nahelegte? Denn sonst würde ihre Angst noch ganz andere Formen annehmen.
    Ein Schuss.
    Sam stieß mit dem Kopf gegen die Matratzenfeder. Ihr Vater hatte ihr mit neun Jahren das Schießen beigebracht. Es gab für sie nicht den Hauch eines Zweifels, dass gerade jemand einen Schuss abgefeuert hatte.
    Noch ein Schuss.
    Ein Mann stieß einen Schrei aus, so wie jemand brüllt, wenn seine Mannschaft gerade einen Treffer gelandet hat.
    Falls man sich im Wald verirrt, hatte ihr Vater ihr eingebleut – denn schließlich verirrt sich jeder mal im Wald, sogar Indianer –, ist zunächst einmal ganz entscheidend, was man
nicht
tut. Man gerät
nicht
in Panik. Die bringt einen schneller um als jeder Wolf, schneller als jeder Bär. Panik ist die häufigste Todesursache, die der Mensch kennt. Man muss sie erkennen und beim Namen nennen und dann in einem kleinen Safe verschließen, wo niemand herankam, nicht mal du selbst, verstanden?
    Keine Panik, schärfte sie sich ein. Vielleicht wurde da gerade ja niemand erschossen. Sie waren dabei, ein Haus zu besichtigen – wieso sollte irgendjemand einen anderen erschießen? Vielleicht schießt jemand aus irgendeinem Grund mit Platzpatronen. Vielleicht haben sie gekokst oder so und sind nicht ganz dicht. Nur keine Panik!
    Sie versuchte, ihren Atem, ihren Puls wieder zu normalisieren. Niemand weiß, dass ich hier bin. Egal, was da vor sich geht, es ist sicher bald vorbei. Die hauen ab, ich haue ab. Das Leben geht ganz normal weiter, und niemand ist tot. Ich zumindest nicht.
    Das alles konnte ihre Herzfrequenz nicht beruhigen. Das Blut hämmerte ihr in den Ohren.
    Langsam kroch sie unter dem Bett hervor. Es gab zwei nebeneinander gelegene Fenster, eines davon mit eingebauter Klimaanlage. Draußen glänzte der Schnee im Mondlicht. Sie drehte den Griff am anderen Fenster und versuchte, es hochzuschieben. Es bewegte sich nicht. Ihr Herz raste noch schneller. Nur mit größter Mühe konnte sie einen Schrei unterdrücken.
    Das ist Panik, dachte sie. An den Griffen zerren, um die bewegliche Scheibe hochzuschieben, obwohl sich nichts bewegt. Dabei die ganze Zeit der Gedanke: Du bist in Panik, kriech wieder unters Bett.
    Den Stuhl packen, obwohl du bis jetzt noch nicht das leiseste Geräusch verursacht hast.
    Wenn du das jetzt machst, gibt es kein Zurück. Es gibt keine zweite Chance. Du solltest unters Bett zurückkriechen.
    Sie schwang den Stuhl mit aller Kraft und warf sich mit ihrem ganzen Körpergewicht in die Bewegung. Der Lärm war erschreckend.
    Sie schob ein Knie über die innere Fensterbank auf den schmaleren Sims draußen. Dann stützte sie sich auf, so dass sich ihr an mehreren Stellen zugleich scharfe Glaskanten in die Handflächen schnitten. Sie stieß sich ab, hörte, wie ihr Mantel riss, und schlug mit Knien und Händen hart auf den Boden auf. Im selben Moment rappelte sie sich hoch und
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