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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen
Autoren: Wolfgang Burger
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aufgelöst, für das sie noch eine Vollmacht hat. Das hat eine knappe Viertelmillion gebracht. Eine Woche vor ihrem missglückten Abflug hat sie Schmuck im Wert von über hundertfünfzigtausend Euro verkauft, den Karenke ihr angeblich über die Jahre geschenkt hat. Außerdem hatte sie schon einen Anwalt mit der Wahrung ihrer Interessen und dem Verkauf des Hauses beauftragt. Inzwischen bin ich sogar davon überzeugt, dass sie es war, die Durian damals zu dem Bankraub angestiftet und ihm die Pistole organisiert hat. Ihr Vater war Waffensammler und hatte wohl auch das eine oder andere illegale Sammlerstück im Keller. Es gibt so unglaublich viele Indizien. Das Dumme ist nur: Nichts, aber auch gar nichts kann ich beweisen.«
    Â»Was ist mit dem Lieferwagen?«
    Â»Gestohlen, Anfang Dezember auf einem Autobahnparkplatz in der Nähe von Paris. Zu dem Zeitpunkt hat Duriannoch im Gefängnis geschmort und sich auf seine baldige Freilassung gefreut. Kennzeichen und Papiere waren professionell gefälscht. Sie muss Monate vorher mit den Vorbereitungen begonnen haben. Damit ihr Mann gleich loslegen kann, sobald er frei ist.«
    Â»Und sie war nicht beunruhigt, als du sagtest, ihr Mann sei noch am Leben? Sie musste doch fürchten, dass er gegen sie aussagen werde.«
    Â»Absolut nicht. Mir ist erst später klar geworden: sie war sich seiner Loyalität vollkommen sicher. Er war ihr ergeben wie ein Hund.«
    Unser Wein kam endlich. Die Bedienung schwitzte. Theresa hatte einen Dürkheimer Riesling gewählt, ich eine Grauburgunder-Spätlese.
    Wir stießen an.
    Wir sahen uns in die Augen wie zwei seit fünf Minuten verliebte Teenager.
    Wir küssten uns, als wäre es das erste Mal seit Jahren.
    Â»Sie waren die ganzen Jahre über in Kontakt. Sie hat sich nie wirklich von ihm getrennt. Das immerhin kann ich beweisen. Na ja, fast.«
    Â»Wie das?«
    Ich drehte mein Glas hin und her und freute mich an den goldenen Lichtreflexen.
    Â»Es gibt kein Gefängnis mehr ohne Handys. Manche Gefangenen machen gute Geschäfte damit, ihr eingeschmuggeltes Handy an Mitgefangene zu vermieten. Durian hat alle zwei, drei Wochen telefoniert. Die Nummer, die er angerufen hat, war immer dieselbe – die des koreanischen Studenten. Das Handy dazu liegt jetzt vermutlich am Grund des Neckars. Die angebliche Trennung von Durian war reine Maskerade, um Karenke zu täuschen und zu beruhigen. Vielleicht hatte sie sogar von Anfang an geplant, ihn um sein Geld zu bringen, sobald Durian aus dem Gefängnis kommt.«
    Â»Dann wären auch die anderen Morde nur Maskerade? Das ist ja entsetzlich!«
    Â»Nicht ganz. Das war seine persönliche Abrechnung mit der bösen Welt. Sie hat davon gewusst und ihn einfach für ihreZwecke eingespannt. Er war vermutlich leicht davon zu überzeugen, dass es auf einen Toten mehr nicht ankommt. Ich nehme an, sie hat ihm dafür die ewige Liebe versprochen. Dass sie wieder zusammenkommen, zusammenleben, irgendwo weit weg.«
    Theresa streichelte nachdenklich meine Hand. Wie hatte sie bei einer ähnlichen Gelegenheit einmal gesagt? Liebe ist, wenn man die Finger nicht voneinander lassen kann. Wir hatten seit Wochen nicht mehr miteinander geschlafen.
    Â»Ich bin so froh«, sagte sie leise.
    Â»Ein Gutes hat das ganze Drama immerhin.«
    Â»Und das wäre?«
    Â»Ich habe dreieinhalb Kilo abgenommen.«
    Eine Weile lauschten wir verträumt lächelnd der Musik. Leonhard Cohen sang von Suzanne.
    Â»Was für eine Frau«, sagte Theresa schließlich. »Wie viel muss geschehen, damit ein Mensch so wird?«
    Â»Nicht allzu viel. Sie hat alle Chancen gehabt, die man sich wünschen kann. Sie stammt aus wohlhabenden Verhältnissen. Der Vater hatte eine gut gehende Firma, die irgendwelche elektronischen Geräte für die Druckindustrie hergestellt hat. Nebenher hat er ein bisschen an der Börse spekuliert, wie so viele. Dabei muss er sich kräftig verhoben haben, lange vor der Dot-Com-Blase. Man hat damals von Insider-Geschäften gemunkelt, bei denen ein Insider den anderen übers Ohr gehauen hat. Von heute auf morgen war seine Firma überschuldet und die Familie mittellos. Der Vater hat sich bald darauf erschossen. Mit einer der Waffen aus seiner Sammlung übrigens. Die Mutter war schon vorher psychisch nicht allzu stabil gewesen, wurde depressiv und hat angefangen zu trinken. Damals war die kleine Irina neun.
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