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Eiskaltes Schweigen

Titel: Eiskaltes Schweigen
Autoren: Wolfgang Burger
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Pille abgesetzt, Michaels Verlag brummte, der neue Autor schien sich tatsächlich zu verkaufen, auch die alten Titel liefen plötzlich wieder besser. Aber dann kam der Herbst …«
    Sie nahm einen Schluck Kaffee, sah kurz auf ihre Armbanduhr. Eine Minute vor elf.
    Â»Er hatte auf der Buchmesse einen kleinen Stand. Zum ersten Mal. Was soll ich sagen? Es war eine Pleite. Selten habe ich mich so gelangweilt und so gedemütigt gefühlt wie in diesen endlosen Tagen mitten in all dem Getue. Und wie wir restlos frustriert nach Hause kommen mit unserem gemieteten Lieferwägelchen, da finden wir einen Brief. Die Zinsen für unsere Hypotheken waren über Nacht um drei Prozent gestiegen.«
    Â»Sie hatten variablen Zinssatz vereinbart?«
    Â»Diesen Punkt hatte die Dame bei der Bank leider nur sehr am Rande behandelt. Wir hatten noch einige Reserven, aber im Frühjahr, da wurde es dann bitter. Der Verlag kam wieder ins Stottern, und wir konnten bald nicht einmal mehr die Zinsen aufbringen. Dann kam das, worüber man gerne schweigt. Wir mussten uns in aller Hast eine Wohnung suchen, ein Loch, noch finsterer als das, aus dem wir ein Jahr zuvor geflüchtet waren. Von Kindern war längst keine Rede mehr. Längst habe ich wieder die Pille genommen.«
    Â»Ich kann mir vorstellen, wie Sie sich gefühlt haben müssen.«
    Â»Nein, das glaube ich nicht.« Sie sah zur Decke. Zwischen ihren Brauen stand jetzt eine tiefe Falte. »Sie machen sich kein Bild, wie erniedrigend das ist. Plötzlich sind Sie ein Paria, den jeder herumschubsen darf. Natürlich hat das Drama auch unserer Beziehung nicht gutgetan. Am Ende haben wir nur noch gestritten. Es schmerzt mich bis heute, an diese Zeit auch nur zu denken.«
    Â»Und dann sind Sie ausgezogen.«
    Â»Genauer, ich bin zweimal ausgezogen. Das erste Mal wenige Wochen nach dem Umzug. Ich konnte bei einer Freundin unterschlüpfen. Es sollte nur für einige Tage sein, uns ein wenig Luft verschaffen, damit wir beide zur Ruhe kommen, wieder miteinander reden konnten, ohne uns gleich anzuschreien. Dann ging es auch wieder für ein Weilchen. Aber es war kein Leben mehr. Wenn wir nicht gestritten haben, dann haben wir uns angeschwiegen, uns unausgesprochene Vorwürfe gemacht. Die Luft war ständig zum Schneiden, und …«
    Sie bedeckte kurz die Augen, unterdrückte einen Seufzer. Dann sah sie mich mit flammendem Blick an. »Dieses Jahr wardas dunkelste Kapitel meines Lebens, glauben Sie mir. Nie werde ich das beglückende Gefühl vergessen, als ich es endlich über mich brachte, Michael wirklich zu verlassen. Endlich konnte ich wieder atmen, wieder lachen. Und zugleich …«
    Irina Durian verstummte, starrte gedankenverloren auf den Tisch. Dann fuhr sie mit veränderter, leiserer Stimme fort: »Natürlich habe ich mir Vorwürfe gemacht. Ich mache sie mir noch. Es wäre nie so weit gekommen mit ihm, wenn ich zu ihm gehalten hätte. Tausendmal habe ich mir diese Gedanken gemacht in den letzten Jahren, Wochen, Tagen. Auf der anderen Seite – man muss doch auch an sich selbst denken. Es ist niemandem geholfen, wenn man auch noch selbst zugrunde geht.«
    Â»Da haben Sie sicherlich recht.«
    Â»Dennoch, ich habe ihn verraten. Da gibt es nichts zu deuteln.«
    Durch die wandhohe Glasfront sah man auf die Start- und Landebahnen hinaus. Sie waren trocken. Es regnete nicht mehr, und hin und wieder blitzte sogar eine zaghafte Sonne durch, die ihr Glück offenbar noch nicht recht fassen konnte. Die Triebwerke eines Jumbojets, der unmittelbar vor unseren Fenstern stand, liefen an und begannen zu summen.
    Â»Sie haben ihn später im Gefängnis besucht«, sagte ich.
    Â»Nicht nur einmal.«
    Â»Dreimal, wenn ich richtig informiert bin.« Fünf nach elf, die Zeit lief mir davon. »Und dann haben Sie John Karenke kennengelernt.«
    Sie nickte, als müsste sie sich dessen schämen.
    Â»Erst einmal hatte ich natürlich genug von Männern und Beziehungsstress. Ich habe mir eine Stellung gesucht, hatte Glück. Ich konnte Michael sogar hin und wieder ein wenig Geld überweisen. Ihm helfen, seine Schulden zu tilgen.« Sie schluckte. »Unsere Schulden.«
    Â»Wenn ich richtig rechne, dann saß Ihr Mann schon zwei Jahre im Gefängnis, als Sie Herrn Karenke trafen …«
    Â»Michael hat die Trennung nie wirklich akzeptiert. Irgendwie liebt er mich auf seine
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