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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz
Autoren: Ulrike Rylance
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umdrehen will, stoppt mich der Skarabäus.
    »Steig einfach ein«, sagt er und tippt auf seine Brusttasche.
    Und so steige ich wieder in das verhasste, stinkende Scheißauto, während ich einen letzten Blick auf Tine erhasche, die uns nachdenklich hinterhersieht, und auf Nadine, die sich unbekümmert einen weiteren Schmalzkringel in den Rachen schiebt. Ich glaube nicht, dass Tine kapiert hat, was ich wollte.
    Wir fahren los.
    Der Skarabäus denkt laut nach. »Jetzt hab ich das Ding. Allerdings löst das nicht mein Problem. Denn was mache ich nun mit dir?«

26
Juni
    »Du lässt mich gehen«, antworte ich sofort.
    Er schnauft amüsiert.
    »Wie viele Kopien hast du denn von dem Clip gemacht?«, fragt er zurück, während wir durch die frühsommerliche Stadt fahren, wo Leute draußen sitzen und die Luft förmlich vibriert vor lauter Vorfreude auf die kommenden Ferien. Gelächter, Musik und Grillgeruch wehen zu uns herüber, bis der Skarabäus das Fenster schließt und uns wieder hermetisch in dieser verräucherten Blechbüchse versiegelt.
    »Keine«, versichere ich ihm, aber er winkt nur müde ab.
    »Siehst du, das ist das Problem. Es ist ja nicht mit dem Handy getan. Der Knackpunkt ist, dass ihr den Film angesehen habt.«
    Ich will protestieren, aber er lässt mich gar nicht zu Wort kommen. »Natürlich habt ihr das. Dein Freund hat sich verplappert. Und wer weiß, wo das Video schon überall ist. Vielleicht hast du es ja zusammen mit deinen kleinen Freundinnen angeguckt. Oder mit deinem Freund. Mit Mami und Papi.Vielleicht hat Papi es schon längst zu den Bullen geschickt.«
    »Nein, nein, wirklich nicht«, versichere ich ihm hastig, doch es klingt nicht sehr überzeugend und das weiß er, er kann in mir lesen wie in einem offenen Buch. Außerdem kann ich meine Tränen jetzt nicht länger zurückhalten, meine Hände zittern und mein Mund ist ganz trocken.
    Er schnalzt leise mit der Zunge und denkt nach. Er weiß wirklich nicht, was er mit mir anfangen soll, und aus irgendeinem Grund beunruhigt mich das mehr als alles andere.
    Mir fällt etwas ein. Vanessas Tagebuch. Da ging es um ihn, oder?
    »Du bist doch Max, stimmt's?«, frage ich. »Max?«
    Ich will seinen Namen hundertfach aussprechen, denn wer einen Namen hat, und noch dazu so einen alltäglichen, der ist kein Monster.
    Er grinst nur.
    »Sie hat von dir in ihrem Tagebuch geschrieben«, fahre ich fort.
    »Tagebuch?« Er lacht. »So einen Scheiß hätte ich ihr gar nicht zugetraut.«
    »Ich hab alles gelesen. Es ist online, du kannst es auch lesen, wenn du willst. Sie hat doch mit dir …« Ich verhaspele mich. »Sie hat nur mit dir gespielt.«
    »Vanessa.« Er seufzt. »Schade drum. Aber die hat ihre Nase in Sachen gesteckt, die sie nichts angehen. Genau wie du. Und das ist nie eine gute Idee.«
    Ich werde so enden wie Vanessa. Ich werde so enden wie Vanessa!
    »Hat sich eingebildet, sie kann die große Lippe riskieren, nur weil wir ein paarmal im Bett waren. Und dann kommt die mit so einem Video an und will sich an mir rächen oder so.« Er schüttelt fassungslos den Kopf und fast schüttele ich meinen mit. Ich werde nie verstehen, was Vanessa geritten hat, das zu tun. War sie wirklich nur auf der Suche nach dem Kick?
    »Das mit Vanessa war ein Unfall«, fährt der Skarabäus fort. »Ich wollte ihr nur ein bisschen Angst einjagen. Ich bin kein Mörder. Und dann fängt diese betrunkene Kuh an, auf mich einzutreten. Ich wehre mich natürlich und plötzlich habe ich nur noch den Ohrring in der Hand. Und die ist ratzfatz weg, den Berg runter.«
    »Du hättest ihr helfen können«, presse ich heraus.
    Warum erzählt er mir das alles? Ich will das nicht hören. Je mehr er mir erzählt, umso geringer wird meine Chance, dass ich hier rauskomme, auch wenn er behauptet, dass er kein Mörder ist. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass nach dem ersten Mal die Hemmschwelle zum nächsten Mord nur noch gering ist. Wir fahren offenbar auch nicht zurück zur Wohnung, denn wir befinden uns auf der Straße, die aus der Stadt hinaus führt.
    »Was ist mit Leander?«, frage ich.
    »Nicht mein Problem.« Der Skarabäus hält aufeinmal an. Mitten auf einer menschenleeren Brücke. Oh Gott, was wird das jetzt?
    »Mich haben so viele mit dir gesehen«, versuche ich ihm fieberhaft klarzumachen. »Mein Lehrer und meine Freundinnen. Die wissen, dass ich mit dir unterwegs bin!«
    Er ignoriert meinen Einwurf, blickt sich kurz um, öffnet das Fenster und schmeißt Vanessas Handy in den
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