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Eiskalte Angst

Eiskalte Angst

Titel: Eiskalte Angst
Autoren: Vanessa Farmer
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nicht.
    Die seltsame Hitze, die sie durchströmte, wechselte zwischen 43 und 46 Grad, ein Phänomen, welches zweifellos in direktem Zusammenhang mit dem stand, was ihr heute Abend widerfahren war. April grinste, als sie daran dachte, dass sie zurzeit ein wissenschaftliches Wunder war, denn ihres Wissens hatte noch kein Mensch mit einer solchen Körpertemperatur überlebt, geschweige denn sich – wohlgefühlt!
    Energieströme pulsten durch April wie klares Quellwasser eine Verdurstende und setzten ihren Körper regelrecht in Flammen.
    Zudem dachte sie immerzu an diesen seltsamen Mann.
    Wie hatte er ausgesehen? Sie konnte sich noch gut an seine Gestalt erinnern. Etwa einsfünfundachzig groß, wenn sie das metrische System zugrunde legte und ein athletischer Körperbau. War er ein gut aussehender Mann? Nun - seine Stimme war warm, herzlich und beruhigend gewesen. Sein deutscher Akzent hatte ... irgendwie niedlich geklungen.
    Sobald sie an den Fremden dachte, pochte ihr Herz. Hatte sie sich in den Fremden verliebt? Die Symptome schienen eindeutig. Wie hatte das geschehen können? Sie war kein Teenie mehr. Sie war eine zweiunddreißigjährige Frau, die soeben eine deprimierende Beziehung hinter sich hatte und in keiner Weise gewillt war, sich erneut überstürzt zu verlieben. Nein, danke!
    Sie lag auf dem Rücken und starrte zur Zimmerdecke hoch.
    Endlich schlief sie ein.
    Der Raum war warm und dies, obwohl seine Wände, seine Decke und sein Boden aus Eis waren. Aber so war das wohl in Träumen ...
    Fackeln tauchten das Traumbild in rote Schimmer, die unheimlich und gleichermaßen warm wirkten. April kauerte auf den Knien und ihre Handflächen lagen auf dem Eis, ohne dass sie unter ihren Fingerspitzen Kälte empfand. Alles war still und völlig geräuschlos. April stand auf und tastete sich an den Wänden entlang, während ihre Fingerkuppen das glatte Eis erforschten. Erst jetzt entdeckte sie, dass der Raum weder Ecken hatte noch einen Ausgang, er war rund und konisch geformt und lief nach oben hin spitz zu. Sie war gefangen im Bauch gefrorenen Wassers.
    Über ihr materialisierte sich eine rote Wolke, die auf April hinabschwebte.
    Von überall her wisperten Stimmen. Zuerst waren die Worte nicht zu verstehen, Buchstaben, die aneinandergereiht wurden zu Lautfetzen , dann formten sich die Fragmente zu Sätzen, seltsam deutlich und intensiv. April! Wir warten auf dich! Komme zu uns! Du bist unsere Freundin!
    Die Wolke veränderte ihre Form, wehte auseinander, pulsierte und wurde zu einer roten Kutte. Eine Kapuze verbarg das darunter liegende Gesicht. Eine angenehme Stimme sagte: Nun gehörst du zu uns! Zögere nicht! Wir werden dich mit offenen Armen empfangen!
    »Ja - ich weiß! Ich gehöre zu Euch«, flüsterte April. Glückseligkeit durchströmte sie. Tränen rannen über ihre Wangen. »Ist er auch da? Der Mann, der mich heilte?«
    Ist das wichtig?
    »Ich - ich liebe ihn! Ich muss ihn finden. Ich möchte bei ihm sein.«
    Dann wird er hier sein, Freundin!
    So schnell wie es begonnen hatte, war es zu Ende. Die Gestalt in der roten Kutte verpuffte wie ein Geist. Frustriert rief April: »Warum redet ihr erst mit mir um mich dann doch alleine zu lassen!? Bin ich nicht gut genug für Euch? Ich möchte nicht alleine sein.«
    Du bist nicht alleine ..., wisperten die Stimmen von irgendwoher. Du wirst nie wieder alleine sein!
    Nun waren es Tränen der Dankbarkeit, die über Aprils Wangen kullerten.
    Sie würde nie wieder einsam sein. Auf dieses Versprechen hatte sie ihr Leben lang gewartet.
    Sie würde Peter vergessen, würde ihr schlechtes Elternhaus vergessen, den Kummer, den das Leben ihr angetan hatte und die Ungerechtigkeiten, die ihr widerfahren waren. Bisher war ihr noch nicht klar geworden, wie sie unter all dem gelitten hatte. Eigentlich hatte sie sich stets als die Summe ihrer Erfahrungen gesehen und war damit zufrieden gewesen. Das war ein Fehler. Sie wollte nicht nur zufrieden, sondern glücklich sein! Nicht mehr und nicht weniger.
    Endlich hatte sie wahre Freunde gefunden! Freunde, auf die sie sich verlassen konnte. Gemeinsam mit ihren Freunden würde sie ein neues Leben beginnen, ein Leben, das wie ein Traum sein würde.
     
     

8
     
     
    Von den Wänden der Eisgrotte tropfte Wasser, als weine das Eis.
    Der Mann in der roten Kutte hob seine Hand. Diese einfache Geste genügte, um die Anwesenden verstummen zu lassen.
    »Ihr habt versagt. Anstatt ihn zu ergreifen, seid Ihr hinter einem Reh oder einem Hirsch hergejagt!
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