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Eisiges Herz

Eisiges Herz

Titel: Eisiges Herz
Autoren: Giles Blunt
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wegen einer kleinen Enttäuschung oder einer Anwandlung von Weltschmerz, und Lithium bekommt man nicht wegen PMS verschrieben. Außerdem – haben Sie schon mal ihre Arbeiten gesehen?«
    »Einige«, sagte Delorme. Sie erinnerte sich an eine Ausstellung in der Bibliothek vor ein paar Jahren: ein Foto von einem weinenden Kind auf den Stufen der Kathedrale, eine leere Parkbank, ein einzelner roter Regenschirm in einer verregneten Landschaft. Fotos, die Sehnsucht ausdrückten, Bilder, die Einsamkeit darstellten. Wie Catherine selbst. Schön, aber traurig.
    »Plädoyer beendet«, sagte Ms. Cathcart.
    Gerade in dem Moment, als Delormes innerer Richter die Frau wegen unverzeihlichen Mangels an Mitgefühl verurteilte, brach Ms. Cathcart in Tränen aus – und das waren keine Bühnentränen, sondern unkontrolliertes Schluchzen aus echtem, nicht geprobtem Schmerz.
     
    Delorme begab sich zusammen mit Dr. Claybourne zum Krankenwagen, wo Cardinal immer noch auf der Rampe saß. Er sprach sie an, noch bevor sie ihn erreichten, die Stimme belegt und verhalten.
    »Gibt es einen Abschiedsbrief?«
    Claybourne hielt ihm den Brief hin, damit er ihn lesen konnte. »Können Sie uns sagen, ob das die Handschrift Ihrer Frau ist?«
    Cardinal nickte. »Das ist ihre Schrift«, sagte er und wandte sich ab.
    Delorme begleitete Claybourne zu seinem Wagen.
    »Also, Sie können es bezeugen«, sagte der Gerichtsmediziner. »Er hat die Handschrift als die seiner Frau identifiziert.«
    »Ja«, sagte Delorme. »Ich kann’s bezeugen.«
    »Wir müssen selbstverständlich trotzdem eine Autopsie durchführen, aber meiner Meinung nach war es Selbstmord. Wir haben keine Anzeichen für einen Kampf gefunden, wir haben einen Abschiedsbrief, und wir wissen, dass sie depressiv war.«
    »Haben Sie mit der Klinik telefoniert?«
    »Ich habe ihren Psychiater zu Hause erreicht. Er war natürlich bestürzt – es ist immer schlimm, einen Patienten zu verlieren –, aber er war nicht überrascht.«
    »Also gut. Danke, Doktor. Wir werden das Gebäude noch überprüfen, für alle Fälle. Lassen Sie es mich wissen, falls wir noch etwas für Sie tun können.«
    »Mach ich«, sagte Claybourne und stieg in seinen Wagen. »Deprimierend, nicht? Selbstmord?«
    »Gelinde gesagt«, erwiderte Delorme. Das war der dritte innerhalb weniger Monate, mit dem sie zu tun hatte.
    Sie sah sich nach Cardinal um, der sich nicht mehr beim Krankenwagen befand, und entdeckte ihn am Steuer seines Wagens. Er machte nicht den Eindruck, als wollte er losfahren.
    Delorme setzte sich auf den Beifahrersitz. »Sie werden eine Autopsie durchführen, aber der Gerichtsmediziner wird Selbstmord als Todesursache feststellen«, sagte sie.
    »Soll das Gebäude gar nicht überprüft werden?«
    »Doch, natürlich. Aber ich glaube nicht, dass wir etwas finden werden.«
    Cardinal ließ den Kopf hängen. Delorme konnte sich nicht vorstellen, was in ihm vorging. Als er schließlich etwas sagte, war es nicht das, was sie erwartet hatte.
    »Ich sitze hier und überlege, wie ich ihr Auto nach Hause schaffen soll. Wahrscheinlich gibt es eine ganz einfache Lösung, aber im Moment kommt es mir vor wie ein unlösbares Problem.«
    »Ich fahre es zu dir«, sagte Delorme. »Wenn wir hier fertig sind. Kann ich irgendjemanden für dich anrufen? Jemanden, der kommen und bei dir bleiben kann? Du solltest jetzt nicht allein sein.«
    »Ich rufe Kelly an. Sobald ich zu Hause bin.«
    »Aber Kelly ist doch in New York, oder? Hast du denn niemanden hier in der Nähe?«
    Cardinal ließ den Motor an. »Ich komme schon zurecht«, sagte er.
    Aber er klang ganz und gar nicht danach.

4
     
    T un die Schuhe nicht weh?«
    Kelly Cardinal saß am Esstisch und griff nach einem gerahmten Foto ihrer Mutter, um es in Noppenfolie einzuwickeln. Sie wollte es während der Trauerfeier neben den Sarg stellen.
    Cardinal setzte sich auf den Stuhl ihr gegenüber. Es waren mehrere Tage vergangen, aber er fühlte sich immer noch wie benommen, unfähig, seine Umwelt wahrzunehmen. Die Worte seiner Tochter hatten sich in seinem Kopf nicht zu etwas zusammengefügt, das er entziffern konnte. Er musste sie bitten, ihre Frage zu wiederholen.
    »Die Schuhe, die du anhast«, sagte sie. »Die sehen nagelneu aus. Drücken die nicht?«
    »Ein bisschen. Ich hab sie erst einmal getragen – zur Beerdigung meines Vaters.«
    »Das war vor zwei Jahren.«
    »Ah, ich liebe dieses Bild.«
    Cardinal nahm das Foto von Catherine, das sie bei der Arbeit zeigte. Sie trug einen
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