Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut
Autoren: Robert Masello
Vom Netzwerk:
schloss die Tür.
    Gillespie stand auf dem abgewetzten Teppich, den Kristin einmal gemacht hatte. Wasser tropfte von seinem Parka. Er schob die Kapuze zurück, und das, was von seinen struppigen Haaren übrig war, stand wirr vom Kopf ab.
    »Liest du denn nicht einmal mehr deine E-Mails?«, fragte Gillespie. »Oder hörst den Anrufbeantworter ab?«
    »Nicht, wenn ich es vermeiden kann.«
    Gillespie seufzte und sah sich im unordentlichen Wohnzimmer um. »Mein Gott, Michael, hältst du Aktien beim Pizzaservice? Lohnen würde es sich jedenfalls.«
    Michael schaute auf die Pizzaschachteln und die leeren Bierflaschen, die sich um den Couchtisch und den Kamin herum angesammelt hatten.
    »Zieh dich an«, sagte Gillespie. »Wir gehen was essen.«
    Michael, der immer noch ganz benommen war, stand einfach nur da, die nasse Zeitung in der Hand.
    »Komm schon. Ich lade dich zum Lunch ein.«
    »Gib mir fünf Minuten«, erwiderte Michael und drückte Gillespie die nasse Zeitung in die Hand.
    »Nimm lieber zehn«, rief Gillespie ihm nach. »Gönn dir eine Rasur und eine Dusche.«
    Michael nahm ihn beim Wort. Im Badezimmer stellte er als Erstes den kleinen Heizofen an. Das Haus war kalt und zugig, und er hatte sich schon oft geschworen, es eines Tages besser zu isolieren und zu renovieren. Doch dieser Tag war bisher noch nicht gekommen. Er drehte das heiße Wasser auf, da es ein oder zwei Minuten dauern würde, ehe es warm war. Das Medizinschränkchen über dem Waschbecken stand offen, und ein halbes Dutzend Fläschchen mit rezeptpflichtigen Medikamenten stand auf den Regalen. Es war das neueste Antidepressivum, das seine Therapeutin ihm verschrieben hatte. Er nahm eine Tablette heraus und spülte sie mit dem inzwischen lauwarmen Wasser hinunter.
    Dann schloss er die Schranktür und betrachtete sich im Spiegel, so sehr ihm auch vor dem Anblick graute. Sein strähniges schwarzes Haar war heute Morgen noch widerspenstiger als sonst. Auf der einen Seite stand es in wilden Locken ab, auf der anderen klebte es platt am Schädel. Seine dunklen Augen waren blutunterlaufen und düster. Seit ein paar Tagen hatte er sich nicht mehr rasiert, und er könnte schwören, dass er ein paar graue Barthaare bekommen hatte, obwohl er gerade erst dreißig geworden war. War das überhaupt möglich? Die Zeit forderte ihren Tribut … verdammt. Er legte eine frische Klinge in den Rasierer und fuhr sich hastig damit über die Stoppeln.
    Nach einer nur mäßig warmen Dusche schlüpfte er in Jeans, Arbeitshemd und die saubersten und trockensten Stiefel, die er bei der Eingangstür fand. Gillespie hatte es sich in dem abgenutzten Ledersessel bequem gemacht und löste vorsichtig die Seiten der Zeitung voneinander. »Ich war so frei und habe deine Jalousien hochgezogen, um etwas Licht hereinzulassen. Das solltest du bei Gelegenheit auch mal ausprobieren.«
    Sie nahmen Gillespies Wagen, natürlich einen Prius, und fuhren zum selben Lokal wie immer. Die Einrichtung des Restaurants mit Kunststoffbänken und Linoleumfußboden war zwar
nicht gerade einladend, und der Kuchen in der Auslage sah in dem grellen Neonlicht nicht besonders appetitlich aus, trotzdem gefiel es Michael im Olympic. Es hatte keine Ähnlichkeit mit der Filiale einer Restaurantkette oder gar Starbucks, und außerdem bekam man hier den ganzen Tag über Frühstück. Michael bestellte das Holzfällersteak spezial, während Gillespie einen griechischen Salat mit Hüttenkäse und eine Tasse Kräutertee nahm.
    »Du haust ja richtig rein«, sagte Michael. »Meinst du nicht, dass du etwas übertreibst?«
    Gillespie lächelte und tat Süßstoff in seinen Tee. »Geht auf Firmenkosten.«
    »Wenn das so ist, nehme ich noch einen Nachtisch.«
    »Gute Idee. Wie wär’s mit Zitronenbaiser?«
    Sie hatten schon oft Witze darüber gemacht, dass die Zitronenbaisers auf dem obersten Teller der Kuchenauslage in den fünf Jahren, seit sie hierherkamen, noch nie von der Stelle bewegt, geschweige denn ersetzt worden waren.
    Während sie aßen, fiel Michaels Blick immer wieder auf den FedEx-Umschlag, den Gillespie neben sich auf die Bank gelegt hatte. Gelegentlich tastete Gillespie danach, als wollte er sich vergewissern, dass er noch da war. Es musste etwas Wichtiges sein, dachte Michael, und der Inhalt hatte vermutlich etwas mit ihm zu tun.
    Sie unterhielten sich über das Magazin – sie hatten einen neuen Fotoredakteur eingestellt, die Anzeigenverkäufe gingen in die Höhe, die gutaussehende Empfangssekretärin hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher