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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut
Autoren: Robert Masello
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zusammenbleiben.«
    »Was? Was hast du gesagt?«
    Sie hatte nicht nur entsetzliche Angst, sondern war auch noch immer im Fieberwahn.
    Farrow gackerte wie ein Huhn und umkreiste sie beide immer wieder, wobei er die Kette mit behandschuhten Händen um ihre Knie, Hüften und Schultern schlang. Und um ihre Hälse. Wo immer das gefrorene Metall nackte Haut berührte, brannte es wie eine Wunde. Auch wenn Sinclair in die andere Richtung schaute, so hörte er doch Eleanors unsteten Atem und spürte ihre zunehmende Panik.
    »Sinclair«, keuchte sie, »warum?«
    Jones und Jeffries, die ihre Wachposten aufgegeben hatten, schleiften sie über das Seitendeck, als seien sie zwei schwere Holzplanken. Instinktiv versuchte Sinclair, seine Absätze ins Deck zu bohren, aber jemand stieß seine Füße beiseite, bis er vollkommen den Halt verlor. Binnen weniger Sekunden starrte er auf die wogende See unter sich. Eigentümlicherweise war er froh, dass Eleanor den Himmel und den weißen Albatros sehen konnte, der hoffentlich immer noch auf der Rah hockte.
    »Sollten wir nicht ein paar Worte sagen?«, fragte Dr.Ludlow mit bebender Stimme. »Es ist alles so … barbarisch.«
    »Ich sag was«, brüllte Burton und beugte sich nach unten, um Sinclair ins Gesicht blicken zu können. »Möge Gott unseren Seelen gnädig sein!«
    Sinclair spürte, wie sie von vielen Händen über die Reling gehoben wurden.
    »Zur Hölle mit ihnen!«
    Irgendjemand lachte und dann stürzte er kopfüber mit der
vor Entsetzen schreienden Eleanor dem Wasser entgegen in die Tiefe. Es dauerte länger, als er erwartet hatte, bis sie die dünne Eisschicht durchbrachen. Abrupt verstummten Eleanors Schreie, alles um ihn herum wurde still, und die schweren Ketten zogen sie nach unten. Langsam und mit sanften Kreiselbewegungen versanken sie im eisigen schwarzen Wasser. Mehrere Sekunden lang hielt er den Atem an, doch schließlich stieß er ihn heftig aus, obwohl er es möglicherweise noch länger ausgehalten hätte. Er hieß den Tod willkommen – oder was immer sie beide am Grund des Meeres erwartete.

Erster Teil
    Die Reise hinaus
    Da kam der Sturmwind; der war stark,
Und groß war seine Wut,
Und seine Schwingen trieben uns
Fern nach des Südens Flut.
     
    Das Bugspriet tief, die Masten schief,
Wie wer, verfolgt mit raschem Schritt,
Noch seines Feindes Schatten tritt,
Mit vorgebeugtem Haupt:
So auf gut Glück stürmte die Brigg
Südwärts, vom Nord umschnaubt.
    Der alte Matrose

Samuel Taylor Coleridge, 1798
Deutsch von Ferdinand Freiligrath

1 . Kapitel 19 .November, mittags
    Gegenwart
    Es klingelte an der Tür. Michael hörte es, wollte aber nicht aufstehen, denn sein Traum war zu tröstlich. Kristin war bei ihm, sie fuhren mit seinem Jeep auf einer Straße durch die Berge. Ihre nackten Füße hatte sie gegen das Armaturenbrett gestützt, das Radio plärrte, und sie lachte. Sie hatte den Kopf in den Nacken gelegt, und der Wind, der durch das offene Fenster hereinwehte, spielte mit ihren Haaren.
    Es klingelte erneut, ein paar Mal kurz hintereinander. Wer immer es war, ging einfach nicht weg.
    Michael hob den Kopf vom Kissen, wunderte sich über die leere Chipstüte neben seinem Gesicht und warf einen Blick auf die Uhr. 11 : 59 . In dem Moment, als er sich die Augen rieb, sprangen die Ziffern auf 12 : 00 Uhr um. Es war Mittag.
    Und es klingelte schon wieder.
    Michael warf die Decke beiseite und setzte die Füße auf den Boden. »Ja, ja, immer mit der Ruhe!«, brummte er. Er schnappte sich den Bademantel vom Haken an der Tür und schlurfte aus dem Schlafzimmer. Durch das Milchglas der Eingangstür erkannte er auf der Treppe die Umrisse von jemandem mit Parka und Kapuze. Michael trat näher.
    »Ich kann dich sehen, Michael. Jetzt mach schon die Tür auf. Hier draußen ist es eiskalt.«
    Es war Joe Gillespie, Redakteur beim
Eco Travel-Magazine
.
    Michael schob den Riegel zurück und öffnete die Tür. Kalter Regen schlug gegen seine nackten Beine, als sein Besucher sich an ihm vorbei ins Haus drängte.
    »Erinnere mich daran, dass ich mich das nächste Mal beim
Miami Herald
bewerbe«, sagte Gillespie und stampfte mit den Füßen auf.
    Michael hob eine durchgeweichte Ausgabe der
Tacoma News Tribune
von der Treppe auf. Dabei fiel sein Blick auf die wolkenverhangenen Gipfel der Kaskaden am Horizont. Ursprünglich hatte er das Haus gerade wegen dieser Aussicht gekauft. Jetzt erinnerte sie ihn ständig an das, was er am liebsten vergessen würde. Er schüttelte die Zeitung aus und
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