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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut
Autoren: Robert Masello
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Westentasche.
    Nachdem er sich noch einmal umgedreht hatte, um sicherzugehen, dass er allein und unbeobachtet war, öffnete er das Vorhängeschloss, schob die feuchten Ketten zur Seite und hob den Deckel an. Versteckt unter einer Schicht aus Reitausrüstung, Uniformen und Büchern von Coleridge, Chatterton, George Gordon und Lord Byron fand er das, weswegen er gekommen war. Zwei Dutzend Flaschen mit dem Etikett
Madeira – Casa Del Sol, San Cristobal
, alle sorgfältig umhüllt und verpackt. Mit der Reithose wischte er eine der Flaschen sauber, klemmte sie sich unter den Arm und verschloss die Truhe wieder sorgfältig.
    Die Stiege zu erklimmen, während er mit der Laterne und der Flasche jonglierte, war ein schwieriges Unterfangen. Dass Burton am Ende auf ihn wartete, machte die Sache nicht besser.
    »Haben Sie gefunden, wonach Sie gesucht haben, Lieutenant?«
    Sinclair gab keine Antwort.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fuhr Burton fort und streckte eine Hand aus, die in dicken Fäustlingen steckte.
    »Nicht nötig.«
    Aber Burton hatte die Flasche bereits entdeckt. »Das ist doch Branntwein. Mann, wir könnten gut einen Schluck zum Aufwärmen gebrauchen.«
    »Sie sind bereits aufgewärmt genug.«
    Sinclair hatte das Ende der Treppe erreicht und schob sich an Burton vorbei, dann an Farrow, der sich mit beiden Händen auf die Arme schlug, um seine Blutzirkulation anzuregen. Sobald die beiden außer Sicht waren, stahl er sich in die Kombüse. Um den Inhalt der Flasche aufzutauen, hielt er das dunkle Glas in die Nähe des Ofens, in dem immer noch ein schwaches Kohlenfeuer glomm. Anschließend kehrte er in seine Kabine zurück und betete, dass sich Eleanors Zustand nicht verschlechtert hatte.
    Sie war nicht allein. Flackerndes Licht schimmerte unter der Tür hindurch, und in der kleinen Kammer stieß Sinclair auf den Schiffsarzt, Dr.Ludlow, der sich gerade über Eleanor beugte. Ludlow war ein besonders abstoßendes Exemplar von einem Mann, mit Buckel, Hängebacken und einem Benehmen, das unterwürfig und herablassend zugleich war. Sinclair traute ihm nicht einmal so weit, dass er sich von ihm die Haare schneiden ließ, was ebenfalls zu den Pflichten des Schiffsarztes gehörte. Und schon gar nicht wollte er ihn in Eleanors Nähe wissen. Seit sie an Bord gegangen waren, hatte er ein ungebührliches Interesse an ihr gezeigt. Jetzt hielt er ihre erschlaffte Hand und schüttelte den Kopf. »Ihr Puls ist sehr schwach, Lieutenant, sehr schwach. Ich fürchte um das Leben des armen Mädchens.«
    »Ich nicht«, erklärte Sinclair zum Besten Eleanors wie zum Wohl dieses jämmerlichen Doktors gleichermaßen. Er löste ihre
Hand aus Ludlows feuchtem Griff und schob sie unter die Decke. Eleanor rührte sich nicht.
    »Ich fürchte, sogar meine Blutegel sind erfroren.«
    Zumindest eine gute Nachricht. Wenn Sinclair eines wusste, dann, dass Eleanor garantiert keinen weiteren Blutverlust mehr brauchte. »Wie bedauerlich«, sagte Sinclair. Er wusste sehr wohl, dass der Doktor es genießen würde, die Egel an Eleanors Brust und Beinen anzusetzen. »Wenn Sie uns jetzt bitte allein lassen würden, ich komme sehr gut zurecht.«
    Dr.Ludlow deutete eine Verbeugung an und sagte: »Ich bin eigentlich gekommen, um Ihnen eine Nachricht vom Kapitän zu übermitteln. Er wünscht Sie an Deck zu sprechen.«
    »Ich komme, sobald ich kann.«
    »Ich bedaure sehr, Lieutenant, aber er sprach mit großem Nachdruck.«
    »Je eher Sie verschwinden, desto schneller kann ich den Kapitän aufsuchen.«
    Ludlow blieb noch einen Augenblick, als wollte er beweisen, dass man ihn nicht einfach fortschicken konnte, dann verließ er die Kabine. Kaum war er verschwunden, klemmte Sinclair einen Hocker gegen die Tür und benutzte den Langdolch, den er unter seinem Umhang verbarg, um die Flasche zu öffnen. »Warte«, sagte er zu Eleanor, obwohl er nicht sicher war, ob sie ihn überhaupt noch hören konnte. »Gleich geht es dir besser.«
    Mit einem Arm hob er ihren Kopf von dem mit Lumpen gefüllten Leinensack, der notdürftig als Kissen diente, und setzte ihr die Flasche an den Mund. »Trink!«, sagte er, aber sie reagierte immer noch nicht. Er neigte die Flasche, bis die Flüssigkeit ihre Lippen benetzte und sie rosig färbte, so dass sie den Anschein von Lebendigkeit erweckten. »Trink.«
    Er spürte ihren Atem auf dem Handrücken. Er neigte die Flasche noch ein Stückchen, bis ihr ein rosenroter Tropfen übers Kinn lief und auf die Elfenbeinbrosche fiel, die sie am
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