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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut
Autoren: Robert Masello
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bloßen Fingern und hielt sie dem Kapitän unter die Nase. Er spie seinen Handschuh aufs Deck und sagte: »Riechen Sie! Noch besser, Capt’n, Sie berühren das Zeugs mit den Lippen!«
    Widerstrebend senkte Addison den Kopf über die Flasche. Er prallte zurück, als hätte ein besonders übler Geruch seine Nase beleidigt. Doch erst als Dr.Ludlow ebenfalls an Deck taumelte und zur Bestätigung schweigend nickte, starrte er Sinclair mit einem Ausdruck des Entsetzens im Gesicht an.
    »Ist es wahr?«, fragte er und nahm Farrow die dunkle Flasche aus der Hand.
    »Es ist wahr«, erwiderte Sinclair, »dass Sie die Medizin meiner Frau in der Hand halten. Die zweifelsohne aus unserer Kabine entwendet wurde.«
    »Medizin?«, platzte Burton heraus.
    »Ein Höllentrank ist das«, warf Farrow ein.
    »Hab ich euch nicht gesagt, dass wir mit denen nur Ärger haben werden?«, rief Burton Jones und Jeffries zu, die kein Wort verstanden, aber aussahen, als seien sie für jedes Durcheinander, das jetzt folgen mochte, bereit.
    »Ich hab’s unter der Bettdecke gefunden!«, schrie Farrow in dem offenkundigen Versuch, den Löwenanteil der Ehre für sich einzuheimsen. »Daran gibt es nichts zu rütteln!«
    »Fragen Sie ihn, was mit Bromley passiert ist!«, fuhr Burton fort, und sein Bart zitterte vor Wut. »Fragen Sie ihn, wie so ein Mann, ein kräftiger Seemann, der zweimal Kap Hoorn umsegelt hat, einfach so während der Wache über Bord gehen kann!«
    Plötzlich erhob jeder seine Stimme, und noch ein halbes Dutzend Matrosen kam aus dem Frachtraum an Deck. Vier von ihnen schleppten jene Truhe, die Sinclair gerade zugesperrt hatte. Sie ließen sie auf die mit Raureif überzogenen Planken fallen, so dass die Sporen im Inneren klirrend gegen die Flaschen stießen. Bevor Sinclair nach seinem Degen greifen konnte, spürte er, wie jemand seine Arme packte. Ein Seil wurde um seine Handgelenke geschlungen und fest verknotet, dann wurden seine Schultern gegen den Hauptmast gepresst. Noch während er seinen Protest hinausschrie, sah er Burton und Farrow wieder unter Deck stürmen.
    »Nein!«, brüllte er auf. »Lasst sie in Ruhe!«
    Doch im Moment konnte er nichts tun, er konnte sich nicht einmal bewegen. Captain Addison befahl einem der Männer, das Ruder zu übernehmen, und schritt übers Deck. Er starrte Sinclair
direkt in die Augen und sagte: »Ich glaube nicht an Flüche, Lieutenant.« Er hatte die Stimme gesenkt, als wollte er ihm ein Geheimnis anvertrauen. »Aber hiermit«, fuhr er fort und schwang die Flasche, »haben Sie meine Geduld überstrapaziert.«
    Die Matrosen, die Sinclair an den Armen gepackt hatten, verstärkten ihren Griff.
    »Die Männer machen Sie bereits für Bromleys Tod verantwortlich, und ich selbst habe auch keine Zweifel mehr daran, dass Sie etwas damit zu tun haben.« Er wog die dunkle Flasche in der Hand und flüsterte: »Wenn ich es nicht tue, habe ich eine Meuterei am Hals.«
    »Wenn Sie was nicht tun?«
    Addison gab keine Antwort. Stattdessen schaute er zur Luke hinüber, aus der Burton und Farrow eben wieder aufs Deck kletterten. Dabei hielten sie Eleanor in einem Betttuch wie in einer Schlinge fest. Sie hatte die Augen geöffnet und streckte Sinclair einen Arm entgegen. Die Haube war heruntergefallen, und ihr braunes Haar, das einst so voll und glänzend gewesen war, wehte ihr in losen Strähnen um den Kopf.
    Farrow schwang eine rostige Kette in der Luft hin und her, und Captain Addison, der weder sein Einverständnis bekundete, noch die beiden zum Innehalten aufforderte, wandte sich ab. Während er zurück zum Ruder ging, schleuderte er die schwarze Flasche über Bord, ohne sie noch eines weiteren Blickes zu würdigen.
    »Sinclair!«, rief Eleanor. Ihre entsetzte Stimme ging in dem Tumult beinahe unter. »Was geht hier vor?«
    Für Sinclair war das nur allzu offensichtlich. Er zerrte an den Fesseln und versuchte, vom Mast loszukommen, aber mit den Reitstiefeln glitt er auf dem vereisten Deck immer wieder aus. Jeffries landete einen Fausthieb in seinem Bauch, und Sinclair klappte zusammen. Er versuchte, wieder zu Atem zu kommen, doch während man ihn zu Eleanor schleifte, sah er nur Stiefel, Seile und Ketten. Eleanor konnte kaum aufrecht stehen und
musste von Burton gestützt werden, bis Sinclair gewaltsam Rücken an Rücken gegen sie gepresst wurde. Er wünschte, er könnte sie noch einmal umarmen, ein letztes Mal. Doch so konnte er ihr nur zuflüstern, keine Angst zu haben. »Was auch geschieht, wir werden
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