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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe
Autoren: Andreas Franz
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die er an den Tag legte, sein Bekenntnis zu Gott und seinem Elternhaus, seine einfache Herkunft und wie seine Eltern sich krumm gelegt hätten, um ihrem Sohn ein Studium zu ermöglichen ... Kaum etwas davon stimmte, und so sollte es auch bleiben. Den wahren Bruhns zu zeigen wäre nicht nur einer Blasphemie gleichgekommen, es hätte die Nation in einen Schockzustand versetzt, obwohl er laut Fachmeinung nur ein mittelmäßiger Musikproduzent war, der es jedoch perfekt verstand, den Geschmack einer breiten Masse zu bedienen. Denn er hatte einen Vorteil gegenüber vielen seiner Konkurrenten: Er war ein begnadeter Komponist, der schon Songs für die größten Stars geschrieben hatte und vor allem dadurch zu enormem Reichtum gelangt war.
    Doch Schmidt war gewappnet, denn wie kaum ein anderer bewegte er sich lautlos inmitten dieser Abgründe, aus denen Bruhns schon lange nicht mehr herausfand. Schmidt hingegen war ein Wanderer zwischen den Welten, der den Ausgang aus dem Labyrinth der Abgründe genauestens kannte, denn er hielt sich immer nur so lange dort auf, wie ein Auftrag es erforderte. Er war ein Künstler, wie es keinen zweiten gab. Es konnte nur einen Hans Schmidt geben oder einen Pierre Doux oder Martin Sanchez oder Henry Jones oder Michail Petrow ... Er trat unter vielen Namen auf, den richtigen kannten nur er und seine erste Auftraggeberin, die ihr Versprechen bis heute gehalten und niemals seinen wahren Namen preisgegeben hatte. So blieb er ein Phantom - und würde es immer bleiben. Das war auch gut so, denn wussten die anderen, welcher Tätigkeit er neben seinen offiziellen Geschäften nachging, sie hätten vor Entsetzen die Hände vor das Gesicht geschlagen. Er würde längst in einer Gefängniszelle dahinvegetieren, oder, noch wahrscheinlicher, er wäre gar nicht mehr am Leben. Aber Schmidt war unfassbar, im wahrsten und übertragenen Sinn des Wortes. Seine Tarnkappe saß perfekt. Und seine Auftraggeber wussten, was sie an ihm hatten.
    Doch diesmal hatte er eine besondere Überraschung parat: Er hatte für Bruhns und seine kleine Geliebte ein Geschenk mitgebracht, eigentlich weniger für das Pärchen als für die Polizei - ein kleines Bonbon, an dem sie lange zu knabbern hätte, hing es doch mit anderen Fällen zusammen, die offiziell als aufgeklärt galten. Zumindest war dies am Freitagabend so vermeldet worden. Schmidt wusste es besser, denn er hatte seit nunmehr beinahe zehn Jahren an sämtlichen Tatorten Spuren hinterlassen, kleine, feine Spuren. Manchmal wurden sie gefunden, häufig nicht. Er war gespannt, ob man sie diesmal entdecken würde.
    Aber das war noch nicht alles, Bruhns war nur der Anfang von etwas, was Schmidt seit dem letzten Sommer vorhatte und das er jetzt endlich durchführen konnte. Er hatte auf die Gelegenheit gewartet, alles durchgeplant, und nun war die Zeit reif, die Früchte zu ernten. Danach würde er sich zur Ruhe setzen und nie wieder einen Auftrag annehmen. Er würde die E-Mail-Adresse löschen, über die seine Auftraggeber bisher Kontakt zu ihm aufgenommen hatten, und ein ganz gewöhnliches Leben führen. In Lissabon, Nizza, Cannes und Saint Tropez. Er würde viel reisen. Und Maria würde er überallhin mitnehmen.
     

SONNTAG

SONNTAG, 0.47 UHR
    Schmidt war Bruhns in großem Abstand nach Schönberg gefolgt, hatte erst auf dem letzten Kilometer aufgeschlossen, und als Bruhns seinen Wagen durch die Einfahrt lenkte, blieb Schmidt am Straßenrand stehen. Er stieg aus, trat blitzschnell durch das sich allmählich schließende Tor und wartete, bis Bruhns und seine Begleiterin ausgestiegen waren.
    »Hallo, nicht erschrecken«, sagte Schmidt mit gedämpfter Stimme, woraufhin Bruhns sich abrupt umdrehte und in seine Richtung blickte. Seine Miene hellte sich erleichtert auf, als er im Licht der beiden Laternen, die am Eingang standen, Schmidt erkannte.
    »Was führt dich denn jetzt hierher? Bisschen spät, oder?«, sagte Bruhns nicht sonderlich erfreut, Schmidt um diese Zeit zu sehen.
    »Tut mir leid, ich weiß, es ist spät, aber ich müsste dringend was mit dir besprechen, dauert auch höchstens fünf Minuten. Darf ich kurz mit reinkommen?« »So wichtig? Na gut, wenn's wirklich nur ein paar Minuten dauert, ich, äh, du siehst ja ...«
    »Fünf Minuten. Es geht um übermorgen. Ich hab mich da vorhin ein bisschen vertan.«
    »Entschuldigung, darf ich vorstellen, Kerstin, das ist Hans, wir kennen uns schon lange.« »Angenehm«, sagte Schmidt und reichte Kerstin die Hand. Sie hatte
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