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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume
Autoren: Sybille Baecker
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Familie tun konnte. Er wusste, dass er sich selbst belog, dass er sich aus einer Verantwortung stahl.
    »Wie viel hast du schon getrunken?«, fragte Cecilia, nachdem er aufgelegt hatte.
    »Nur einen Whisky.«
    »Fahr bitte vorsichtig. Es ist glatt draußen.« Sie fragte nicht, wie er in dieser Situation zur Arbeit gehen konnte. Sie ließ ihn gehen. Später. Später würden sie über alles reden.
    Die Seitenstraßen waren zugeschneit, als Brander sich mit dem Wagen auf den Weg machte. Selbst die B 28, die von Entringen nach Tübingen führte, war mit einer kleinen Schneeschicht überzogen. Die Räumdienste kamen mit der Arbeit in dieser Nacht nicht nach.
    Mehr als eine Dreiviertelstunde war vergangen, seit Sabrina ihn angerufen hatte. Er hatte sich nicht zur Eile antreiben können. Noch immer waren da zu viele Gedanken in seinem Kopf. Als er am Tatort ankam, waren die Arbeiten bereits voll im Gang. Brander parkte den Wagen am Straßenrand, schaltete die Scheinwerfer aus und starrte durch die Windschutzscheibe auf das geschäftige Treiben. Kollegen von der Schutzpolizei hatten den Tatort abgesperrt und hielten Schaulustige fern. Obwohl es fast zwei Uhr morgens war, hatte es einige Anwohner aus ihren warmen Wohnungen getrieben. Fröstelnd standen sie im Schnee. Der Wagen des Erkennungsdienstes war vor Ort. Männer und Frauen in weißen Anzügen sicherten die Spuren. Sie würden nicht viel finden, ahnte Brander schon jetzt. Er entdeckte Hendrik Marquardt, der eigentlich keinen Bereitschaftsdienst hatte, aber anscheinend schon gerufen worden war. Vielleicht hatte Peppi das veranlasst, seine Kollegin mit dem griechischen Temperament und einer Ruppigkeit, mit der sie ihr weiches Herz zu verbergen versuchte.
    Augenblicklich kehrte die Erinnerung an Daniels Anruf zurück. Was hatte Babs vor ihnen verborgen? Was hatten sie nicht gesehen? Seine Finger krampften sich um das Lenkrad. Einen Moment lang schloss er die Augen. Was machst du hier?, fragte er sich im Stillen. Er sollte jetzt auf dem Weg nach Düsseldorf sein. Aber nun war er in Tübingen und hatte Dienst, und außerdem wollte Daniel nicht, dass er kam.
    Er nahm die Hände vom Lenkrad, rieb sich kräftig durch das Gesicht, als könnte er damit alle familiären Sorgen abwaschen. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch, setzte die bunte Strickmütze auf und stieg aus dem Wagen.
    Brander brauchte einen Moment, bis er in der vermummten Gestalt neben dem Erkennungsdienstler seine Kollegin erkannte. In der weißen Daunenjacke und dem überdimensionalen hellblauen Schal, den sie dreimal um Hals und Gesicht gewickelt hatte, sah Peppi aus wie ein Marshmallow auf dem Weg zu einer Polarexpedition. Einer einzigen schwarzen Locke war es gelungen, sich aus der Kapuze hervorzustehlen.
    »Hallo, Schneemann.« Er trat neben Peppi, versuchte, einen lockeren Ton anzuschlagen. Seine Sorgen waren Privatsache. Er nickte dem Kollegen vom Erkennungsdienst zu, bedauerte einen Augenblick, dass es nicht Manfred Tropper war.
    »Schneefrau«, korrigierte Peppi Brander. Sie hob den Blick. »Schicke Mütze.«
    Er ahnte ein boshaftes Grinsen unter dem blauen Schal. Die Mütze war sicherlich seit Jahren aus der Mode und hatte schon bessere Zeiten gesehen, aber er konnte sich nicht davon trennen.
    »Man tut, was man kann.« Ihn befiel eine leichte Dankbarkeit dafür, dass Peppi hier war. Das lockere Geplänkel mit der Kollegin nahm etwas von der Last, die auf seine Schultern drückte.
    »Du hast dir Zeit gelassen«, stellte Peppi fest.
    Brander zuckte die Achseln. »Klär mich auf.«
    Sie gab ihm mit einer Kopfbewegung zu verstehen, ihr zu folgen. Kurz darauf saßen sie im schützenden Inneren der grünen Minna, die allerdings im Rahmen der Europäisierung inzwischen blau war. Den Spitznamen hatte der Einsatzwagen dennoch behalten.
    Sie zogen die Handschuhe aus, öffneten ihre dicken Jacken, und Peppi rieb fröstelnd ihre Hände aneinander. Brander wartete schweigend, bis die Kollegin mit ihrem Bericht begann.
    »Also, kurz nach Mitternacht erhielten wir einen Notruf«, erklärte sie schließlich. »Ein Mann sei zusammengeschlagen worden und läge auf der Straße. Eine Streife ist rausgefahren. Ein türkisches Paar war bei dem Mann und versuchte, ihn mit Decken zu wärmen. Da hat er noch gelebt. Der RTW traf gegen halb eins ein und brachte ihn in die Klinik. Noch während im Krankenhaus die Not- OP vorbereitet wurde, erlag er seinen Verletzungen. Dann wurden wir gerufen. Der Tatort war bereits
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