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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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Deutlich sah ich, wo meine beiden Kugeln sein Fleisch durchschlagen hatten und wo das Rot seines Blutes die Teppiche des Zuges tränkte.
    Ehe wir an dem Sterbenden vorbei waren, hielt ich kurz inne und kniete nieder.
    „Was tun Sie denn da? Wir müssen hier weg, haben Sie gesagt“, drängte Aurora.
    „Einen kleinen Augenblick noch.“ Ich zog dem Mann eine blinkende Marke aus der Westentasche. Sie war auf einem ledernen Ausweis aufgenäht. Darauf stand in silbernen Lettern „Europäische Gesellschaft zur Beantwortung moralischer Fragen“.
    „Jetzt haben wir wirklich Probleme.“
    „Was haben Sie entdeckt?“
    „Die Burschen gehören zu den Weißen Westen, militante Konservative.“
    „Was wollen die von mir? Ich habe nichts Unrechtes getan!“, rief sie unschuldig.
    „Es ist keine Frage von Recht und Unrecht, sondern von Moral und Anstand“, zitierte ich das Motto der aus Ængland stammenden Gemeinschaft. „Ich denke, Sie haben in den letzten Jahren allein mit ihrem Lebenswandel so einigen Staub bei denen aufgewirbelt. Sie sind eine Krawallmacherin.“
    Aurora schnitt eine Grimasse.
    „Tun Sie nicht so! In der Hälfte der europäischen Hauptstädte sucht man Sie per Haftbefehl. Anscheinend geht es den Weißen Westen nicht schnell genug.“
    Ich hörte Schritte im Gang. Ich lief los und hielt Frau Garibaldi weiter am Arm fest. Wir durchquerten zwei Wagen, bevor ich in einem Zwischenabteil stehenblieb.
    Ich ließ von Aurora Garibaldi ab und sah mich suchend im Raum um, ehe ich das fand, wonach ich suchte. An der Decke des Eisenbahnwagens war eine Notleiter befestigt. Sie führte durch eine Wartungsluke auf das Dach des Zuges. Ohne darüber nachzudenken, ob es eine gute Idee war oder nicht, sprang ich nach oben und hängte mich an die unterste Sprosse der ausziehbaren Leiter. Mittels meines Körpergewichts zog ich sie herab.
    „Rauf da, schnell!“, drängte ich.
    „Was haben Sie vor?“
    „Daran arbeite ich noch. Wir müssen erst mal raus aus dem Zug.“
    Im selben Moment erklang ein Schuss. Neben mir splitterte das Holz der Wandvertäfelung. Am Ende des Ganges sah ich den Ængländer, der eine heftige Begegnung mit der Abteiltür gehabt hatte. Seine Lippe blutete. Doch was mir viel mehr ins Auge sprang, war die Büchse in seinen Händen.
    In schneller Folge gab ich drei Schüsse in seine Richtung ab. Ich hatte nicht die Hoffnung, ihn zu treffen. Er sollte nur einen Moment den Kopf unten behalten.
    Er tat uns den Gefallen, und Frau Garibaldi nutzte die Zeit. Sie klemmte sich die Puppe unter den Arm und erstieg die Leiter. Ich ließ eine weitere Kugel auf den Angreifer los, bevor ich der Frau folgte.
    „Ich bekomme die Luke nicht auf!“, ertönte ihre Stimme über mir.
    „Weg da!“ Ich zielte nach oben und schoss auf die Verriegelung. Das Projektil durchschlug das Metall. „Besser als jeder Schlüssel.“
    Aurora stieß die Luke auf und zog sich aufs Dach des Zuges. Sie verschwand aus meinem Sichtfeld. Eiskalter Wind und vereinzelte dünne Schneeflocken drangen ins Abteil. Darüber sah ich die Sterne am Nachthimmel.
    Ich wollte ihr gerade folgen, als erneut das Donnern einer Waffe erschallte. Brennender Schmerz stach in mein Bein. Nur mit Mühe konnte ich mich an der Sprosse festhalten. Blut sickerte durch mein Hosenbein.
    Ich sah, dass der Mann mit dem Nasenbluten Verstärkung bekommen hatte. Drei weitere Weiße Westen strömten finster dreinblickend in das Zwischenabteil. Die Läufe ihrer Schusswaffen zeigten auf mich. Die Erkenntnis traf mich ebenso hart wie zuvor die Kugel: Ich war erledigt.
    Die Männer kamen langsam näher. Sie waren gekleidet wie Herren von Welt. Anzug, Weste und Schlips. Anhand ihrer Bewegungen konnte ich sehen, dass ich es nicht mit verblendeten Hitzköpfen zu tun hatte. So wie sie sich verteilten und gegenseitig Deckung gaben, bestand kein Zweifel daran, dass es sich um Profis handelte. „Fanatische Profis“, korrigierte ich mich.
    „Es ist aus, Mister Tadeusz. Legen Sie die Waffe weg und machen Sie die Leiter frei“, sagte ein Grauhaariger mit fein säuberlich gestutzten Vollbart und tiefer Stimme.
    Verdammt, sie wussten, wer ich war.
    „Was ist, wenn ich beschließe, stattdessen ein bis zwei von ihnen mit in die Hölle zu nehmen?“
    „Ich kann Ihnen nur sagen, dass das die Mühe nicht wert ist. Nach unseren Informationen arbeiten Sie für Geld und nicht für eine fehlgeleitete Ideologie oder Ähnliches. Sie werden den Verlust materieller Güter verkraften. Auch
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