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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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heißen Tee.
    Meine Zielperson hieß Aurora Garibaldi. Eine beigelegtes Bild lies mich die Frau vom Vorabend erahnen. Ich hatte während ihrer Flucht nur einen knappen Blick auf ihr Gesicht werfen können, doch ich war sicher, dass es sich um dieselbe Frau handelte. Auf dem blassen Lichtbild wirkte sie noch sehr jung. Dunkle Locken umrahmten ein rundes Gesicht mit großen, himmelblauen Augen. Die gebürtige Italienerin war einundzwanzig Jahre alt, wie die Akte verriet. Sie entstammte einer adligen Familie aus Florenz, hatte aber vor drei Jahren mit ihrer Familie gebrochen. Es folgten zahlreiche Anzeigen quer durch Europa. Die junge Dame hatte sich einer Frauenrechtsgruppe angeschlossen und machte überall Ärger, wo sie ihre Schritte hinlenkte. Ob Paris oder London, es spielte keine Rolle. Doch zwischen all den Verfahren wegen Ruhestörung, Verunglimpfung und Nötigung wirkte ein Diebstahlsdelikt merkwürdig fehl am Platze. Frau Garibaldi hatte es eigentlich nicht nötig, einen Prototyp zu stehlen.
    Was es damit auf sich hatte, entzog sich mir zu diesem Zeitpunkt. Ich wusste nur, dass es sich um eine Art Puppe handelte. Sie hatte die Größe eines einjährigen Kindes und sollte sehr lebensecht aussehen. Ein gewisser Professor Clockworth-Merenge war mit der Puppe in Veneta. Warum jemand ein Spielzeug stehlen sollte, teilte man mir nicht mit. Erst meine eigenen notdürftigen Recherchen verrieten mir, dass der Wissenschaftler geschäftlich in Veneta weilte und für eine ænglische Firma arbeitete.
    Es war eine magere Faktenlage. Wohin sie mit ihrer Beute wollte? Reine Spekulation!
    Ich hatte mir noch in der Nacht den Zugfahrplan angesehen. Die Dampflok brachte ihre Passagiere nach Stettin. Ich hielt es für recht unwahrscheinlich, dass Aurora Garibaldi direkt im nächsten Bahnhof ausstieg.
    Auch Dresden, der folgende Halt, schied für mich aus. Die Diebin wurde dort bereits wegen Aufwiegelei gesucht. Die Hansesicherheit hatte die örtlichen Kollegen informiert, die auf dem Bahnsteig Stellung bezogen hatten. Sollte Frau Garibaldi dort aussteigen, würden sie sie fassen.
    Als nächstes Ziel lag Prag auf der Strecke. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Soweit ich wusste, wurde der Zug bei Einfahrt in die Stadt mit stahlverstärkten Panzerplatten vor den Fenstern geschützt. Niemand stieg in Prag aus. Nicht in diesen Zeiten.
    Blieben Viyana oder der Endbahnhof Venedig. Mein Gefühl lies mich schnell auf Letzteres tippen. Die Stadt lag nahe ihrer Florentiner Heimat und war eine ausgewiesene Handelsmetropole. Wenn ich einen K äufer für einen Prototyp hätte suchen müsste, ich hätte mich für Venedig entschieden. Obendrein war die Stadt bekannt für die dort regelmäßig stattfindenden wissenschaftlichen Veranstaltungen, wie den Internationalen Kongress der Gesellschaft f ü r Außerordentliche Naturwissenschaften mit wechselnden Schwerpunkten.
    „Da wird sie hinwollen“, dachte ich.
    Doch vielleicht nahm sie auch in Viyana den Anschlusszug in die Hansestadt Bratislava oder nach Zagreb. Eine Gefahr, die ich nicht vernachlässigen sollte. Also suchte ich mir ein schnelles Luftschiff und buchte den nächsten Flug nach Viyana. Mit etwas Glück würde ich eine Stunde vor Frau Garibaldi am Bahnhof ankommen. So hätte ich genug Zeit, mir ein Billet für den Zug nach Venedig zu kaufen. Das Zeitfenster war klein, aber vorhanden.
    Ich öffnete die Schmuckknöpfe meiner Weste, setzte den Zylinder ab und machte es mir bequem. Auch wenn ich eine Flüchtige verfolgte, würde dies wohl die entspannteste Dienstreise meiner Laufbahn werden. Ich ließ mir vom Oberkellner ein Glas eisgekühlten Wodkas bringen, lehnte mich zurück und genoss den Erste-Klasse-Flug.

    Am Abend des nächsten Tages ging das luxuriöse Luftschiff in den Sinkflug über. Ich hatte gerade ein paar Stunden geschlafen und kontrollierte mittels meiner Taschenuhr die Zeit. Es wurde knapp. Der Zug aus Veneta musste jeden Augenblick in den Bahnhof einfahren.
    Ich stand auf, nahm meine Reisetasche und sah aus einem der Panoramafenster. Unbemerkt von den Umstehenden hielt ich mich an einem der Geländer fest. Erwähnte ich schon, dass ich Höhen nicht mochte?
    Unter uns sah ich die Metropole an der Donau, die ehemals Wien geheißen hatte. Ich konnte mehr und mehr Einzelheiten der einzelnen Häuser ausmachen, je tiefer wir flogen. Erkannte sowohl Habsburger Prachtbauten wie auch die gewöhnlichen Häuser der Arbeiterklasse. Unverkennbar hatte das Osmanische Reich seine
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