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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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Spuren in der Baukunst hinterlassen. Zahlreiche Minarette schraubten sich wie Bäume in einem lichten Wald in die Höhe und konkurrierten mit den sakralen Bauten der Vergangenheit. Ich sichtete den Stephansdom. Mehr als hundertdreißig Meter ragte der Südturm in den Himmel und war lange Zeit das hö chste Gebäude der Region gewesen. Doch die Zeiten der christlichen Märtyrer wie des Heiligen Sankt Stephanus hatte Viyana lange hinter sich gelassen. Mein Blick fiel auf das gewaltige Nachbargebäude, das die Szenerie dominerte. Die acht Minarette der riesigen Moschee überragten selbst den Dom um ein paar Dutzend Meter. Unzählige Kuppeln aus hellblauen Fliesen bildeten den Korpus des Gotteshauses, das dem Islam in Europa als spirituelles Zentrum diente.
    „Religion“, dachte ich kopfschüttelnd und nicht frei von Herablassung.
    Zwischen all den Gebäuden, ob religiös oder profan, lagen zahlreiche Grünflächen. Erst auf den zweiten Blick erkannte ich, dass die verschneiten Wiesen Friedhöfe waren. Man sagt, in Viyana gebe es mehr tote Menschen als lebendige. Der Gedanke ließ mich schaudern.
    Ich knöpfte meine Weste zu, setzte meinen Zylinder auf und strich meinen Backenbart glatt. Ehe wir endgültig vor Anker gingen, suchte ich den Waschraum auf. Aus meiner Reisetasche fischte ich die doppelläufige Repetierpistole. Ich überprüfte den Selbstlademechanismus und den Schlagbolzen sowie die zwei Abzüge. Die Schusswaffe, ein Prototyp modernster Technik, war in einem tadellosen Zustand und wanderte ins Schulterhalfter. Ich schlüpfte in meinen schweren Gehrock, der mich nicht nur vor der Kä lte Viyanas schützen, sondern auch neugierige Blicke von meiner Schusswaffe fernhalten sollte.
    Kurz darauf war das Luftschiff vertäut, und wir konnten von Bord gehen. Ich war einer der ersten, die den Landungssteg überwanden und schnellen Schrittes in Richtung Bahnhof steuerten.
    Nachdem ich mich an den Kontrollpunkten als Mitglied der Hanse-Sicherheit ausgewiesen hatte, ließ man mich rasch durch. Zwar hatte ich in Viyana keine Befugnisse, doch behandelte man mich als Kollegen bevorzugt. Ich eilte die Stufen hinunter zum Bahnhof.
    Zu meinem Erschrecken stand der Zug schon am Bahnsteig. Ich hatte keinen Zweifel, dass diese majestätisch anmutende Schönheit von einer Dampflok das gleiche Modell war, das mir in Veneta vor der Nase weggefahren war.
    Verdammt, ich war zu spät!
    Hektisch sah ich mich unter den Reisenden um. Doch ich konnte niemanden erkennen, der Aurora Garibaldi auch nur ähnelte. Meist handelte es sich um Männer in teuren Anzügen und mit stinkenden Haschischpfeifen. Eine junge Alleinreisende wäre mir aufgefallen.
    Der Schaffner sah auf die mannshohe Uhr am Kopf des Bahnhofs und nahm seine Trillerpfeife zwischen die Lippen. Ein schriller Pfiff erklang, um dem Lokfü hrer zu signalisieren, dass der Zug weiter fahren konnte. Ich musste mich entscheiden. Suchte ich Frau Garibaldi weiter im Hauptbahnhof Viyana oder setzte ich alles auf die Karte Venedig und sprang noch rasch in den Zug?
    Die Dampflok spie große Mengen Qualms aus. Ein mechanisches Pfeifen ertönte, als wolle das Ungetüm dem dünnen Pfiff des Schaffners antworten und gleichzeitig klarmachen, wer der Herr im Haus der Töne war.
    Kurzerhand ergriff ich einen der glänzenden Messingbeschläge und zog mich in den nächstbesten Waggon. Dann also Venedig …

    Den Schaffner konnte ich mit pekuniären Anreizen davon überzeugen, mich mitzunehmen. Er hatte sogar ein kleines Abteil für mich frei. Ich denke, es war sein eigenes, und er ließ sich diesen Umstand fürstlich entlohnen. Mir war es egal, schließlich zahlte die Hanse, nicht ich.
    Ich verstaute meine Reisetasche und erkundigte mich zuvor nach der Reisedauer. Es würde einen vollen Tag in Anspruch nehmen, bis wir die Alpen überquert hatten und die Lagunenstadt erreichten. Mehr als genug Zeit, um die Passagiere des Zugs in Augenschein zu nehmen. Selbst wenn es mehrere hundert waren.
    Ich begann in den Großraumabteilen der Zweiten Klasse. Auf den einfachen Holzbänken saßen größtenteils Familien und Wanderarbeiter. Ihre Kleidung war einfach, ihr Gepäck umso größer. Die meisten schienen mit komplettem Hausstand zu reisen. Doch von Frau Garibaldi keine Spur.
    Rund die Hälfte des Zuges bestand aus teuren Abteilen für ein bis vier Personen. Es würde lange dauern, alle zu durchsuchen, selbst wenn mir jeder die Abteiltür ö ffnete, was ich bezweifelte. Wenn ich allerdings etwas hatte,
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