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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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Erst jetzt begriff ich das Ausmaß der Prozedur. Aurora Garibaldi musste unerträgliche Schmerzen durchlitten haben, während man ihr die Haut vom Leibe zog.
    „Sie Schwein“, knurrte ich.
    Sein Gesicht verfinsterte sich. „Genug geplaudert. Miss Garibaldi, kommen Sie bitte?“
    Aurora stand auf, die Puppe noch an sich gepresst, das Gesicht aufgeklappt.
    Mir rasten die Gedanken durch den Schädel wie ein Fluss nach einem Dammbruch. Noch nie hatte ich derartige Abgründe gesehen, und ich hatte in meiner Existenz als Finder viel erlebt. Das Schlimmste waren die Ohnmacht und das Wissen, dass die Ængländer damit durchkommen würden. Die Erkenntnis zerriss mich regelrecht. Also tat ich etwas verdammt Dummes.
    Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte. Sofort spürte ich Bewegungen in meinem Rücken. Die Weißen Westen machten ihre Waffen bereit und jagten mir hinterher. Doch ich war schneller.
    Mit wenigen Schritten hatte ich das Zimmer durchquert. Ich ignorierte den Schmerz in meinem Bein. Mein Ziel war der kleine Balkon über dem zugefrorenen Canal Grande. Zwischen mir und meiner Hoffnung stand Aurora Garibaldi oder das, was sie einst war.
    Ich beugte mich im Laufen vornüber und traf Aurora mit der Schulter. Ihr schlanker Körper konnte meinem Gewicht und meinem Schwung nichts entgegensetzen. Ich hielt sie fest und hob sie im Laufen hoch. Dann durchbrachen wir die Glasscheibe der Balkontür, eher wir über die Br üstung stürzten.
    Ich hasse Höhen!
    Durch den Aufprall meines Körpers auf dem ihren war ihr Gesicht zurückgeschnappt, und ich konnte Aurora ein letztes Mal in die blauen Augen schauen.
    „Es tut mir leid“, wisperte ich auf unserem halsbrecherischen Sturz in die Tiefe.
    „Danke“, war alles, was sie sagte. Dann prallten wir auf.
    Unsere Leiber durchstießen das Eis des Canal Grande. Kälte und das unendliche Schwarz des Wassers umfingen mich. Überrascht stellte ich fest, dass ich den Sturz überlebt hatte. Zumindest vorerst.
    Die Luft wurde mir aus der Lunge gepresst. Die Kälte biss in mein Fleisch. Auroras unendlich seelenwunder Blick traf den meinen. Wir sanken immer tiefer in das nasse Grab. Sie presste sich eng an mich und drückte ihre Lippen auf die meinen. Ich glaubte an ein romantisches Abschiednehmen, einen letzten Kuss, bevor wir Arm in Arm aus dieser Welt glitten. Ich elender Träumer!
    Stattdessen presste sie Sauerstoff in meine Lunge. Es war ein logischer Vorgang. Verstandesmäßig und kalt. Da begriff ich, dass es sich um eine Maschine handelte. Eine Sache, geschaffen, um den Menschen zu dienen. Entsprechend ihrer Prägung versuchte sie, mich zu retten. Jegliches Gefühl hatte man ihr einst in Ængland genommen. Trotzdem zerriss es mir in diesem Moment das Herz, als mir Aurora entglitt.
    Zentimeter für Zentimeter sank sie tiefer. Ihr Kleid wurde wie durch eine Sommerbrise aufgebauscht, und ihre Korkenzieherlocken tanzten wie vom Wind getragen. Sie hielt Galileo fest umschlossen, während sie schwerelos davon schwebte. Eine kleine elektrische Entladung an ihrem Schädel besiegelte ihr Ende.

    „Aber wie sind Sie dann nach Lybya gekommen?“, fragte der Beamte. „Sicher nicht geschwommen.“
    „Nein, ich hatte Glück. Ehe meine Muskeln vor Kälte starr wurden, fand ich eine Lücke im Eis des Flusses. Schnell wurde mir klar, dass die Weißen Westen weiter hinter mir her sein würden. Also bestach ich einen Fischer, mich übers Mittelmeer zu fahren. Doch ich hatte die Weißen Westen unterschätzt. Sie folgten mir mit einem Luftschiff und versenkten die Barkasse.“
    „Das ist ja eine abenteuerliche Geschichte, die Sie mir da auftischen, Herr Tadeusz. Was wurde aus Aurora und Galileo?“
    „Sie versanken im Canal Grande. Bis dato konnte sie niemand bergen.“
    Der Sachbearbeiter ordnete die Akten vor ihm.
    „Vielen Dank, Herr Tadeusz, für Ihre amüsante Geschichte. Leider kann ich sie nicht glauben.“
    „Aber sie ist wahr!“
    Der Sachbearbeiter hob beschwichtigend die Hände. „Nichts für Ungut. Wenn ich in meinem Beruf etwas gelernt habe, dann ist es, dass Wahrheit immer im Auge des Betrachters liegt.“
    Er nahm einen Stempel und setzte ihn schwungvoll auf das Deckblatt meiner Akte.
    „Antrag abgelehnt.“

Eiken

    von Christian Vogt
    E iken liebte seine Waffe. Zärtlich strich er über ihre Kurven wie über die Haut einer schlafenden Geliebten. Er betrachtete entzückt den damaszierten Lauf, den Drucktank aus Messing, die kleinen Leitungsrohre, die hervor klappbaren
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