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Einschlafbuch Fuer Hochbegabte

Einschlafbuch Fuer Hochbegabte

Titel: Einschlafbuch Fuer Hochbegabte
Autoren: Dietmar Bittrich
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biografischen Kern hat. Eines seiner berühmtesten ist die aristokratisch ummantelte Schilderung seiner eigenen Empfindlichkeit: Die Prinzessin auf der Erbse .
    In Kopenhagen war es um 1830 bekannt, dass die begehrenswerte Prinzessin Wilhelmine eine miserable Schläferin war. Die Hoflieferanten von Decken und Daunenkissen und von Matratzen voller Wolle, Federn und Blüten erfreuten sich einer glänzenden Konjunktur. Zugleich mussten sie befürchten, dass der nächste Auftrag an jemand anderen ging. Denn Wilhelmine war mit den Schlafausstattungen so wenig zufrieden wie Frau Drosselbart mit den vorgestellten Prinzen. Das Dilemma der Prinzessin löste sich am Ende weniger durch eine Meisterleistung der Matratzenfertiger als durch Heirat. Die Ehe kann Schlafstörungen beheben, so lange zumindest, bis sie selbst neue Störungen verursacht.
    Hans Christian Andersen heiratete nicht. Er hatte seine Affären, zuweilen mit Frauen, zuweilen mit jungen Männern, doch die Schlafschwierigkeiten blieben ihm treu. Sie hatten ihre Ursache darin, so schien es ihm, dass kein Zimmer, kein Bett, keine Matratze so richtig bequem war. Immer störte etwas. Die Geschichte der Leidensgefährtin in Kopenhagens Schloss, die eine Erbse durch zwanzig Matratzen spürte, nahm er in sein Repertoire auf, weil sie seiner eigenen Geschichte so ähnlich war.
    »Die empfindsame Seele wohnt in einem empfindsamen Körper«, vertraute er seiner Freundin Riborg an. »Während Jesper selig wie ein Kind auf den Dielen des Fußbodens schlummert, ist mir selbst kein Bett bequem genug.« Jesper war ein Matrose, den Andersen in den Nächten des Landurlaubs gelegentlich beherbergte. Von den engen Kojen der schwankenden Klipper war der junge Mann Komfort nicht gewöhnt. Andersen hingegen brauchte eine erkleckliche Anzahl von Kissen ungleicher Größe sowie verschieden gefütterte Decken, um sich in einem Bett überhaupt schlafbereit zu machen. Wenn ihn trotzdem stets etwas zwickte, immer etwas unbequem schien und das Liegen sich nie richtig anfühlte – hing das wirklich mit der Schlafstätte zusammen?
    Vielleicht. Rutengänger, energetische Wohnberater und Feng-Shui-Experten hätten da so ihre Vermutungen. In Andersens Wohnung am Kongens Nytorv in Kopenhagen ist freilich heute noch leicht zu erkennen, dass die Auswahl an Stellplätzen für ein Bett gering war. Und vielleicht hätte das Herumschieben dem Dichter auch nichts genützt. Der ungleich wohlhabendere Staatsmann, Erfinder und Autor Benjamin Franklin verfügte hundert Jahre vor Andersen über nicht weniger als sieben Betten in ebenso vielen Zimmern. Eines davon stand im Keller, für heiße Sommernächte, ein anderes auf dem luftigen Dachboden, die weiteren in unterschiedlich ausgestatteten Räumen.
    In unruhigen Nächten, »und jede meiner Nächte ist unruhig«, zog Franklin umher. Meist spürte der Feingeist eine Stunde nach dem Abendessen, welches Bett für die anbrechende Nacht geeignet war. Manchmal war seine Entscheidung eindeutig – »die kleine Kammer hinter dem Arbeitszimmer« –, häufiger jedoch musste der Diener noch ein zweites und drittes Bett bereit machen, am häufigsten die Pritsche in der Bibliothek. Das klassische Bett im Schlafzimmer neben Mrs Franklin war zwar ohnehin stets für den Meister vorbereitet, wurde jedoch selten genutzt.
    »Die amerikanische Unabhängigkeit kostete Opfer«, folgerte Franklin-Biograf Walter Isaacson. Das Bett, in dem Franklin einschlief, war selten das, aus dem er sich morgens erhob. »Er wechselte in der Nacht bis zu sechs Mal das Zimmer«, berichtete Isaacson. »Zwischendurch machte er bei Kerzenlicht Notizen.« Seine berühmten Verdienste, die naturwissenschaftlichen Essays, die Erfindung des Blitzableiters, nicht zuletzt die amerikanische Verfassung, hatten hier ihre Vorstufen: in den wachen Übergängen zwischen den Schlafzimmern. Übrigens schlurfte Franklin, wie Linus von den Peanuts, mit einer kleinen Decke umher, die er bisweilen zärtlich an die Wange drückte. »Beim Einschlafen werden wir wieder zu Kindern«, teilte er mit. Ein Kommentar seiner Ehefrau ist nicht überliefert.
    Michael Jackson legte sich in ein Sauerstoffzelt, um langsamer oder gar nicht zu altern. Sein früher Tod widerlegt die Wirksamkeit nicht. Posthum stellte sich heraus, dass er zwar gelegentlich in dem abgeschotteten Zelt Zuflucht gesucht hatte, doch meist mit herkömmlicher Luftzufuhr. Und dass er sich am Ende lieber auf chemische Beruhigungsmittel verlassen hatte. Was
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