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Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren
Autoren: Fabio Volo
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Leute, die wir auf der Piazza gesehen hatten, ein bisschen albernes Getratsche über diesen und jenen Seitensprung, über den sich inzwischen alle das Maul zerrissen, dann versank er wieder in Schweigen. Er starrte die Bierflasche an und versuchte, mit dem Fingernagel das Etikett abzukratzen.
    Ich fragte ihn, ob etwas nicht stimme. Erst antwortete er, alles sei in Ordnung, aber nach einem Moment der Stille brach es aus ihm heraus, als ob er einen Anfall hätte.
    »Was ist unser Ding? Ich weiß immer noch nicht, was mein Ding ist. Ich habe das Gefühl, dass ich hier auf diesem dämlichen Planeten bin, um etwas Bedeutendes zu tun, aber ich begreife einfach nicht, was… Weißt du, wie man herausfindet, was das eigene Ding ist?… Ich habe das Gefühl, als würde ich das Leben wegwerfen. Gestern war ich sechzehn… peng, und heute bin ich achtundzwanzig.«
    »Was für ein Ding denn?«
    »Ach, komm schon… dein Ding, deine Berufung, dein Talent, die besondere Fähigkeit, die man ausleben soll. Die Sache, das Ding, das jeder hat und das uns von den anderen unterscheidet, die Ursache für meine Existenz, der Sinn des Lebens, was weiß denn ich…«
    »Oh… was haben sie dir denn ins Bier getan? Kriegst du die Thirtysomething-Krise schon mit achtundzwanzig, oder was?«
    »Ach… ich weiß nicht. Ich hab’s dir doch gesagt, ich spüre, dass ich was Richtiges tun muss, vielleicht nicht für die ganze Menschheit, aber für mich, etwas Außergewöhnliches für mein Leben, aber ich weiß einfach noch nicht, was. Ich weiß nur, dass ich es satthabe und dass ich in mir eine Energie verspüre, die rauswill. Aber ich schaffe es nicht, sie freizulassen, und das führt dazu, dass ich mich letztlich nur langweile, egal was ich tue.«
    Er nahm einen Schluck Bier, fuhr sich mit der Unter- über die Oberlippe wie ein Schnurrbartträger, dann brach es aus ihm heraus: »Schluss Schluss Schluss… ich bin es leid, es muss einen Notausgang aus dieser Art zu leben geben, wir haben mehr verdient, als auf der Piazza abzuhängen und zu saufen. Das geht schon viel zu lange so, wir dürfen nicht den Fehler machen, alles laufenzulassen und uns in einem normalen, vorgegebenen Leben zu verlieren. Ich will diese Energie unbedingt nutzen, bevor sie verschwindet, bevor sie nachlässt, erlischt, und ich meinen Arsch nicht mehr hochkriege.«
    »Also, wenn du mich fragst, du hast die Thirtysomething-Krise mit achtundzwanzig. Du bist frühreif, hab ich ja immer schon gesagt.«
    »Ach, hör doch auf! Anstatt mich zu verarschen, hilf mir lieber zu verstehen. Bin ich wirklich dabei, verrückt zu werden, oder sind alle anderen verrückt geworden? Scheiße, Michele, ich verkaufe Wohnungen, das ist nicht schlecht, wirklich nicht, ich verdiene auch gut, aber ich verbringe meinen Tag damit, den Leuten Dinge zu erläutern, die sie selbst sehen, nur dass ich noch das Wörtchen schön hinzufüge: ›Und hier haben wir Ihre schöne Badewanne, hier ist Ihr schönes Fenster, da steht Ihr schöner Heizkessel…‹ Ich wiederhole, was man eh sieht. Hast du schon mal darüber nachgedacht, wie absurd das ist? Ich warte immer darauf, dass ein Kunde mir antwortet, er sei ja nicht doof, das Fenster und die Wanne sehe er selbst. Sei ehrlich, sag nicht, dass es dich nicht auch anödet, immer das Gleiche zu tun, immer die gleichen Orte und die gleichen Leute zu sehen. Hast du nicht ab und zu das Gefühl, es könnte mehr als das geben, dass das Leben in Wirklichkeit mehr auf Lager hat? Die Artikel, die du schreibst, sind schön, aber wie sehr kümmert es dich wirklich, was du da tust? Vor ein paar Monaten hast du einen Artikel darüber geschrieben, wie man sich mit Alltagsgegenständen in Form halten kann. Dazu sah man das Foto einer Hausfrau, die mit einer Anderthalbliterflasche Mineralwasser Übungen machte… Verdammt, Michele, das bist doch nicht du!«
    »Was kann ich daran ändern? Wenn die sagen, ich soll einen Artikel über dieses Thema schreiben, dann mach ich’s. Ich kann nicht dauernd nein sagen, ich hab da meistens nichts zu melden.«
    »Kann sein, aber darum geht es nicht, es geht darum, dass ich, ich von diesem Leben und diesen Abenden angeödet bin.«
    »Das war heute kein toller Abend und auch kein tolles Essen, da gebe ich dir recht. Außerdem hast du fast die ganze Zeit nichts gesagt, aber immerhin haben wir nicht mies gegessen und sogar ab und zu gelacht.«
    »Ich habe mal einer gegenübergesessen, die an einer Plastikzigarette nuckelte, weil sie mit dem
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