Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfach losfahren

Einfach losfahren

Titel: Einfach losfahren
Autoren: Fabio Volo
Vom Netzwerk:
Damals gab es noch keine CD -Player, deshalb hatten wir haufenweise Kassetten dabei. Unter den Sitzen lagen auch ein paar dazugehörige schwarze Hüllen herum, aber schließlich steckten die Kassetten überall, nur nicht in den Hüllen. Gekaufte und selbst aufgenommene. Als ich klein war, nahm meine Schwester immer Kassetten auf, indem sie ihren Recorder direkt vor die Boxen unserer Stereoanlage hielt. Sie machte die Wohnzimmertür zu, und wenn aus Versehen jemand hereinkam, musste sie noch mal von vorn anfangen. Später kaufte sich Federicos Vater eine moderne Anlage mit Tape A und Tape B.
    Wir nahmen diverse Kassetten mit geeigneten Feriensongs auf. Was nie fehlen durfte, war ein Vasco-Rossi-Mix sowie, für den Fall einer Eroberung, eine Kassette mit Blues. Keine italienischen Blues, denn wir fuhren ja ins Ausland. Fede hatte eine Kassette mit langsamen Stücken der Scorpions aufgenommen. Eins unserer Lieblingsstücke auf dieser Fahrt, das wir aus voller Kehle mitsangen, war La noia von Vasco Rossi. Über die Frauen in Dänemark hatte uns niemand was erzählt, deshalb war es fast ein Schock, als wir ankamen. Die schönsten Mädchen, die wir je gesehen hatten. Das hier war nicht Riccione, hier kamen wir tatsächlich zum Zug. Scorpions olé!
    Auf der Rückreise fuhren wir über Amsterdam, und unsere dänischen Eroberungen Kris (meine) und Anne (seine) kamen mit.
    Ich erinnere mich an das Autobahnschild, ich erinnere mich, dass wir auf den Parkplatz fuhren, dann erinnere ich mich an praktisch nichts mehr. Ein Stück Kuchen und Pilze. Das ist alles. Der Rest der Erinnerung ist in Rauch aufgegangen.
    Ich weiß nur noch, wie wir uns am Bahnhof von unseren Freundinnen verabschiedeten und merkten, dass wir traurig waren. Es tat uns wirklich leid. Wir kamen uns verliebt vor und wollten für den Rest unseres Lebens mit ihnen zusammen sein. Wir versprachen uns gegenseitig, dass wir haufenweise Briefe schreiben würden. »I love you I love you I love you…«
    Wir haben niemals auch nur eine Ansichtskarte geschickt.
    Ich habe aber noch die Fotos… Was die beiden heute wohl so machen?
    Manchmal hätte ich Lust, die unbekannten Frauen wiederzusehen, die hier und da in meiner Fotosammlung auftauchen.
    Mit zwanzig stieg Federico ins Immobiliengeschäft ein, weshalb wir zu den wenigen Glücklichen gehörten, die schon früh von zu Hause auszogen. Eines Tages fand er zwei Wohnungen für uns, die frei und bezahlbar waren. Jeder hatte nun seine Miniwohnung, das perfekte Ambiente für jeden Tag Party. Außer mittwochs, denn mittwoch abends spielten wir immer Tippkick.
    Es gab nur wenige Gründe, weshalb einer das Spiel ausfallen lassen durfte:
    – plötzliche schwere Erkrankung;
    – Finger gebrochen;
    – garantierter Sex mit einem Mädchen (nur beim ersten Mal);
    – ein Erdbeben über Stärke 6 auf der Richterskala;
    – ein unvorhergesehener Vollrausch zum Aperitif und daraus resultierende Unfähigkeit, sich auf den Beinen zu halten.
    Kurz und gut… wir waren unzertrennlich, bis er mit achtundzwanzig plötzlich eine Grundsatzentscheidung traf und unsere Wege sich trennten. Die Jahre zuvor hatten wir immer nach dem gleichen Muster gelebt. Tagsüber arbeiten, abends unter der Woche manchmal ausgehen, freitags und samstags alkoholische Selbstzerstörung, der Sonntag diente in erster Linie der Erholung. Wenn es gut lief, rissen wir irgendwelche Bräute auf, wenn nicht… rubbel-dich-frei! Ich darf sagen, dass wir bei den Mädchen einen ganz ordentlichen Erfolg hatten, er mehr als ich.
    Darüber hinaus machten wir ehrlich gesagt nicht viel aus unserem Leben. Diese Routine gab uns Sicherheit. Alles war bekannt, und so behielten wir die Kontrolle. Hier was essen, da einen Aperitif und dort in die Disco. No problem. Autopilot. Für mich war es das Größte. In stabilen Verhältnissen ging es mir immer gut, zumindest nach außen hin.
    Dann, eines Tages, geschah etwas Unerwartetes. Nach dem üblichen Aperitif und dem üblichen Abendessen gingen Federico und ich nicht in die Disco, sondern zu ihm nach Hause, weil er keine Lust hatte weiterzuziehen.
    Er hatte während des Essens fast nichts gesagt. Den ganzen Abend hatte er mit dem Messer gegen die Mineralwasserflasche geklopft. Irgendwann hatte ich sie dann weggestellt, doch er hatte mich nicht mal angeschaut, hatte einfach nur mit der Weinflasche weitergemacht, wortlos.
    Zu Hause nahmen wir uns zwei Bier und setzten uns. Ich aufs Sofa, er in den Sessel. Ein paar Kommentare über die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher