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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben
Autoren: Peter Ploeger
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historischer Situation unterschiedliche Maße geben. Der Politik stünde es zunächst gut an, den überall aufkeimenden Willen zur Selbstorganisation zuzulassen. Der große, »kümmernde« Staat macht sich zunehmend unbeliebt, weil er den Eindruck erweckt, dass er sich immer nur um die gleiche Klientel kümmert. Die Akteure in diesem Buch zieht es zu kleineren, autarken Einheiten, zu Produktionsgemeinschaften, Quartiersgemeinschaften, Nachbarschaften, Interessenbünden, Erzeuger-Verbraucher-Systemen. Sie wollen Selbständigkeit in der Gruppe, freundschaftliche Verbindungen und freie Kooperation zu gegenseitigem Nutzen statt anonymer Hersteller-Verbraucher-Beziehungen, globaler Lieferwege, Präferenzorientierung und Konkurrenz umden schönsten Platz im Leben. Sie sind auf dem Weg von der Systemabhängigkeit zur Bindung an die Gemeinschaft.
    Das, was der Staat in einem solchen Szenario noch zu steuern hätte, habe ich oben bereits beschrieben. Will er die Selbstorganisation unterstützen, muss er dabei allerdings das lieb gewordene wirtschaftsliberale Credo überdenken. »Der Staat muss sich davon verabschieden, nur der Vollstrecker der Marktlogik zu sein«, meint auch Christa Müller von der Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis. »Er sollte nicht mehr dem Credo folgen ›Was für das Kapital gut ist, ist letztlich für die Gesellschaft gut‹. Ich plädiere vielmehr für einen Staat, der selbst eine Subsistenzlogik vertritt und die Wirtschaft so reguliert, dass sie sozial und ökologisch in einem globalen Kontext verträglich ist und dazu beiträgt, dass dieser Globus weiter von Menschen bewohnt werden kann. Das geht nicht allein auf lokaler Ebene.«
    Wir brauchen den Staat, ja – aber einen Staat mit einem anderen Anspruch als dem heutigen.
Der dritte Weg: Dem überkommenen Leben ein Stück gutes entgegensetzen
    Eine kurze Periode lang hat die Ökonomie der Verschwendung uns in ein Märchen entführt. Besoffen von unserem »Traum immerwährender Prosperität« konnten wir nach Herzenslust völlern und prassen. Aber jetzt »hat das Schlaraffenland zugemacht«, sagt Daniel Dahm. Es sei keine Frage mehr, ob wir die Kurve kriegen. Die Welt wird sich verändern und wir werden morgen anders wirtschaften als heute.
    »Wenn du einem Fischer in Sri Lanka sagst: ›Geh besser, hier kommt gleich ein Tsunami‹, wird er nicht auf dich hören. Er kann sich den Tsunami nicht vorstellen, weil es den hier noch nie gab. Also bleibt er. Der Tsunami kommt trotzdem. Egal, ob der Fischer auf dich hört oder nicht, es macht im Ergebnis keinen Unterschied – er wird hier morgen nicht mehr sein.«
    Wir sollten nicht einfach an der Stelle bleiben wie der Fischer. Denn dann würden wir uns die einzige Wahl nehmen, die wir noch haben: Zu entscheiden, ob wir die verbliebenen Möglichkeiten zum Eingreifen nutzen und den weiteren Weg souverän mitgestalten wollen oder nicht. »Nein« hieße, sich weiter blinden und gleichgültigen Marktkräften und der fatalen Eigendynamik, die sie ausgelöst haben, überlassen. Die Selbstversorger, Eigenarbeiter, Arbeitssammler oder selbstbewussten Bürger besinnen sich dagegen auf ihre Grundbedürfnisse. Die Selbstorganisierer sehen keine gebratenen Hühnchen mehr am Himmel fliegen. Sie schütteln den falschen Traum ab und stehen zu ihrer Verantwortung für eine Welt, deren Gestalt sie mitbestimmen wollen.
    Selbstorganisation führt zurück zu grundsätzlichen Fragen an das Wirtschaften: Was kann Wirtschaft den Menschen Gutes tun? Wie geht es uns (und nicht dem Bruttoinlandsprodukt) eigentlich mit der Wirtschaft, die wir haben? Können wir uns, indem wir so wirtschaften, wie wir es tun, wirklich mit allem versorgen, das wir brauchen und uns wünschen? Haben die Spezialisten für das Wirtschaften, die Ökonomen und Wirtschaftspolitiker, den Blick für die grundlegenden Bedürfnisse schon verloren?
    Die selbst organisierte Gesellschaft beginnt sich zu entfalten, in diesem Augenblick, in dem wir zu begreifen beginnen, dass das Schlaraffenland uns nur kurz zu Besuch hereingelassen hat, und dass, sollten wir weiter so tun, als wären wir seine unkündbaren Langzeitmieter, wir uns die Chancen auf jedes gute Leben endgültig verbauen, indem wir unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören. Die selbst organisierte Gesellschaft beginnt auf der niedrigstmöglichen Ebene, bei Einzelnen und kleinen Gemeinschaften. Ihre Fragen und Anliegen gehen dennoch uns alle an. Es ist erstaunlich: So viele verschiedene
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