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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben
Autoren: Peter Ploeger
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Qualität dessen, was sie anbieten, und haben die Rahmenbedingungen ihrer Tätigkeit besser in der Hand.
    Insofern sie für sich die Alleinselbständigkeit oder eine gemischte Erwerbsform gewählt haben (wie die Arbeitssammler) beziehungsweise insofern sie Eigen- und Selbstversorgungsarbeit betreiben, stellen sie sich außerhalb eines Rahmens, der heute als der Kern der Erwerbstätigkeiten schlechthin akzeptiert wird: Der Arbeitnehmer bietet Arbeitskraft, der Arbeitgeber zahlt Lohn. Die Lohnarbeit ist die gängige Normalform. Das war sie nicht immer. Blickt man in die Geschichte zurück, so entwickelte sich menschliche Arbeit von einer direkten Versorgungsleistung für den Arbeitenden zu einem Produktionsfaktor, dessen Mehrwert nun auch einer Reihe nicht überschaubarer Interessen Dritter diente. Was lag näher, als den Produktionsfaktor Mensch in seinem Output zu optimieren, um immer größeren Nutzen aus ihm zu ziehen.»Als man erst einmal entdeckt hatte, dass Arbeit die Quelle des Reichtums war, setzte man alles daran, diese Quelle nach den Regeln des Verstandes besser und effektiver zu nutzen und auszubeuten«, schreibt Zygmunt Bauman. 170
    Heute gehört der fordistische Gesellschaftsvertrag »Arbeit gegen Geld« zum kulturellen Gemeingut. Wer dabei sein und nicht als Sonderling gelten will, muss zudem bestimmte Konsummuster erfüllen: im Verbrauchermarkt einkaufen können, ein Handy haben, automobil sein, Mitglied in einem Social Network sein. Der Erwerb der nötigen Mittel, all das zu bezahlen, ist ein zentrales Lebensthema in der Mitte der Gesellschaft, eines, das viele jedoch zeitweise oder dauerhaft unter erheblichen Druck setzt. Eine Lohnarbeitsgesellschaft ist nämlich nur dann für alle gut, wenn auch für alle ausreichend bezahlte Arbeit da ist. Ausreichende Versorgung außerhalb von Geldverdienst scheint zudem in Deutschland heute fast unmöglich zu sein. Dass sie sehr wohl ihren Platz hat, zeigen die vielen Beispiele selbst organisierter Versorgung in diesem Buch.
    Es ist sehr gut möglich, dass in Zukunft noch viele dem Ruf der Selbstorganisation folgen werden, weil sie der Falle der Lohnarbeit entgehen wollen. Der fordistische Gesellschaftsvertrag bröckelt. Das sogenannte »Normalarbeitsverhältnis« ist keine sichere Bank mehr. Immer mehr Menschen müssen sich immer mehr Gedanken darum machen, wie sie ihren Broterwerb organisieren sollen, wenn nicht durch einen regelmäßigen, ausreichend entlohnten und verlässlichen Job. Wenn dann noch weder die Qualität der Lohnarbeit zufrieden macht, noch ihre Menge hinreicht, um alle zu versorgen, müssen wir uns tatsächlich überlegen, ob das alte Modell noch das allein selig machende sein kann. Alternative Modelle stehen schon in der Warteschleife, um endlich auch in der Breite getestet zu werden, sei es Bergmanns Vorschlag einer dreigeteilten »Neuen Arbeit« oder Ulrich Becks »Bürgerarbeit«. Menschen wie Frauke Hehl oder die Arbeitssammler warten nicht mehr auf ein allgemeines, öffentliches Umdenken, sie gehen voran und finden ihre neue Arbeit, und zwar genug davon und in der Güte, die sie sich wünschen.
    Arbeit ist zu einer großen Baustelle geworden. Soll siemehr als heute zum guten Leben beitragen, ist es Zeit zu entscheiden, ob jeder, der mitbaut, weiter allein vor sich hin werkeln soll, oder ob nicht doch besser alle nach einem gemeinsamen Bauplan suchen wollen.
Die ermöglichende Politik fordern
    Doch wer soll es machen? Wer übernimmt die Bauleitung – nicht nur für den Wandel der Arbeitswelt, der schließlich nur ein Teil eines viel umfassenderen Wandels ist, in dem sich unsere Form, Wirtschaft zu betreiben, in ihrer Gänze befindet? Braucht es überhaupt eine Bauleitung, jemanden, der von oben lenkt und sagt, wo es hingehen soll?
    Braucht es hier also die Politik und ihr lenkendes Eingreifen? Die Akteure der Selbstorganisation machen sich ihre eigenen Gedanken darüber, nicht immer hoffnungsfrohe allerdings. Petra Nagler von der EVG Bremen wartet nicht mehr auf die Politik. »Man kann froh sein, wenn sie einen nicht behindert«, winkt sie ab. »Das Genossenschaftsgesetz hat uns riesige Auflagen gemacht. Die Strukturen sind für viel größere Genossenschaften gemacht, auf uns kleine passt das alles nicht.« Unter den Arbeitssammlern hört man ähnliche Klagen: Die steuerlichen Auflagen erschweren den Schritt in die Nebenerwerbsselbständigkeit durch unnötig hohe Barrieren, die soziale Sicherung ist viel zu teuer für das laufende
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