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Einfach ein gutes Leben

Einfach ein gutes Leben

Titel: Einfach ein gutes Leben
Autoren: Peter Ploeger
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Einkommen, überall bleibt man an zu starren und engen Rastern hängen. Stört die Politik also die Selbstorganisation?
    Ironischerweise legt sie Hindernisse in den Weg, ohne selbst zu wissen, wo anders es denn langgehen soll. Angesichts immer ungebundener handelnder Wirtschaftsakteure agieren die politischen Entscheidungsträger oft genug mit erschütternder Hilflosigkeit. »Der Nationalstaat hat sich selbst entwertet«, ärgert sich die Subsistenzforscherin Maria Mies. »Politiker wissen überhaupt nicht mehr, wie sie mit der Krise umgehen sollen. Die großen Unternehmen und Banken machen weiter, wie sie es bisher gemacht haben, und die Politik kann ihr System nicht mehr zähmen.« Tatsächlich sind dieohnehin zaghaften Rufe, jetzt endlich könne man Ernst machen mit einem grundsätzlichen Umdenken, die in der Finanzkrise Ende 2008 hier und da hörbar wurden, längst wieder verstummt. Die schwarz-gelbe Politik ist zum business as usual (im buchstäblichsten Wortsinne) zurückgekehrt, das von den internationalen Konzernen und der Großfinanz trotz Krise offensichtlich ohnehin nie aufgegeben wurde.
    Die Kapitalismuskritiker deuten das politische Handeln dieser Tage als Ausdruck flagranter Handlungsunfähigkeit. Dabei braucht es eine wirkungsfähige und breit legitimierte Politik vielleicht nötiger denn je. Selbst organisierte Aktivitäten machen deutlich, worum es der Politik gehen sollte, will sie im Interesse der Menschen handeln: darum, »zu garantieren, dass allen Menschen die notwendigen Bedingungen und Ressourcen zur Verfügung stehen, um so handeln zu können«, dass sie ihren Handlungen einen hohen Wert beimessen können. 171 Martha Nussbaum formuliert hier die Grundlage einer »ermöglichenden Politik«, und damit eines staatlichen Agierens, das sich auf seine fundamentale Aufgabe zurückbesinnt, nämlich allen Bürgern Chancen auf ein gutes, gelingendes Leben zu schaffen.
    Ob in einer Markt-, Lohnarbeits- und Konsumgesellschaft oder in einer Gesellschaft, die auf Selbstorganisation gründet: Der Staat ist notwendig, um Subsistenzmittel zur Verfügung zu stellen. Infrastruktur und Verkehr, allgemeine Bildung, Zugangsrechte zu Information, die Durchsetzung des Rechtes, das Gesundheitswesen, Beziehungen zu anderen Nationen und so fort lassen sich, sollen sie für alle Bürger prinzipiell den gleichen Nutzen erbringen, nur auf der staatlichen Ebene organisieren. In welchem über die Mindestversorgung hinausreichenden Maß jedoch staatliche Strukturen notwendig sind und ob sie nicht teilweise durch selbst organisierte Strukturen von gleicher Funktion ergänzt werden können, bleibt eine offene Frage. Lisa Pfleger zum Beispiel denkt über ihren Kleinsthof in der Buckligen Welt hinaus und fragt sich, ob es in einer von Selbstorganisation geprägten Umgebung so viele Kindergärten oder Krankenhäuser bräuchte: »Was, wenn Eltern mehr Zeit für ihre Kinder hätten beziehungsweise abwechselnd auf mehrere aufpassen könnten? Was, wenn wir durch selbst produzierte, gesunde Nahrung gar nicht erst so häufig krank würden?«
    Auch über die notwendigen staatlichen Aufgaben hinaus kann mehr als bisher auf der lokalen Ebene entschieden und organisiert werden. Für eine Ermöglichung weitgehender Selbstorganisation wäre dies sogar eine Voraussetzung. Eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips wäre die Konsequenz. In diese Kerbe schlägt auch Subsistenzforscher Daniel Dahm. Er drängt auf einen Veränderungsprozess, der von unten, aus der Zivilgesellschaft kommt. In seinen Forschungsarbeiten hat er sich lange mit Initiativen der urbanen Subsistenz befasst. Aus seiner Erfahrung sieht er allerdings auch, dass die allein nicht ausreichen werden, da die Zeit zum Umsteuern knapp geworden ist. »Es gehört mehr dazu, als es bei den lokalen Initiativen zu belassen, die können das allein nicht leisten. Wir brauchen einen großen zivilgesellschaftlichen ›Aufstand‹, und der kann nicht von oben verordnet werden. Wir brauchen aber eine gewisse Geschwindigkeit der Veränderung, weil wir an den Punkt kommen, an dem eine sanfte Veränderung nicht mehr möglich ist.« Insofern, so Dahm weiter, sollten wir auch Elemente einer steuerungsmächtigen Politik schätzen, da in ihnen das wirksamste Potenzial liegt, zum Beispiel den Klimawandel zu bremsen und den ökologischen GAU zu verhindern.
    Das richtige Maß zwischen zentralistischer Steuerung und subsidiären Freiheiten ist mithin noch lange nicht gefunden. Zudem könnte es je nach
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