Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eines Tages geht der Rabbi

Eines Tages geht der Rabbi

Titel: Eines Tages geht der Rabbi
Autoren: Harry Kemelman
Vom Netzwerk:
Rabbi fort, «und wenn sie nicht die Polizei benachrichtigen wollen, was würden Sie machen?»
    «Ja, also ich …»
    «Sie würden so schnell wie möglich verschwinden», sagte der Rabbi. «Das wäre das Naheliegendste, das Vernünftigste. Aber Sie würden kurz vor der Maple Street Gas wegnehmen, weil dort Häuser stehen und es sein könnte, daß jemand Sie aus der Glen Lane herauskommen sah und sich daran erinnert, wenn der Tote gefunden wird. Es könnte sogar sein, daß Sie anhalten und aussteigen und sich Ihren Wagen von vorn ansehen, um festzustellen, ob irgend etwas daran Sie belasten könnte – eine verbogene Stoßstange etwa oder Stoffetzen von der Kleidung des Opfers, die an der Stoßstange oder am Kotflügel kleben. Vielleicht sehen Sie, daß an einer Roststelle am Kotflügel ein bißchen Farbe abgeblättert ist. Kann sein, daß das vorher schon passiert ist, aber Sie können nicht ausschließen, daß neben dem Opfer am Boden Lackreste liegen. Und wenn es pinkfarbene Lackreste sind, wird die Polizei sich sofort für Sie interessieren, weil Sie den einzigen pinkfarbenen Wagen weit und breit haben. Sie können nicht zu dem Opfer zurückgehen, um nach winzigen Lackresten zu fahnden, das könnte Stunden dauern. Aber da an der Ecke steht ein Wagen, als hätte ein gütiges Geschick ihn eigens für Sie hingestellt.»
    «Und da liefert der Mann der Polizei einen eingeschlagenen Scheinwerfer, der auf eine falsche Spur fuhren muß. Ja, dafür würde es sich schon lohnen zu wenden und–»
    «Genau. Sie haben vielleicht Ihren Kofferraum aufgemacht, um Ihre Taschenlampe herauszuholen – nein, die dürfte im Handschuhfach sein …»
    «Es könnte eine dieser großen Handlampen sein, wie sie unser Elektriker neulich hatte», sagte Miriam.
    «Ganz recht, eine Handlampe», fuhr ihr Mann fort. «Und ein Wagenheber oder der Griff eines Schraubenschlüssels findet sich auch …»
    «Und eine Zeitung oder Zeitschrift, um die Scherben aufzufangen», ergänzte Lanigan.
    «Oder wenn er, wie du, David, einen alten Pullover im Wagen hatte …»
    «Oder einen Lappen oder ein altes Frotteehandtuch», nickte der Rabbi. «Das wäre gut zur Geräuschdämpfung. Er wickelt den Stoff um den Scheinwerfer, schlägt zu und legt das Bündel auf den Beifahrersitz. Dann wendet er und fahrt zurück zu dem Toten, schüttelt dort das Handtuch aus und schlägt einen Bogen zurück nach Barnard’s Crossing. Und wenn die Polizei zum Tatort kommt, findet sie einen Haufen Scherben – wunderschönes Beweismaterial.»
    «Aber war es nicht trotzdem ein Risiko für ihn, David?» wandte Miriam ein. «Wenn Paul Kramer nun mit Freunden im Kino gewesen wäre? Dann hätte die Polizei gleich gewußt, daß es eine falsche Fährte war.»
    «Nicht gleich», widersprach der Rabbi und warf dem Polizeichef einen raschen Blick zu. «Zuerst würde die Polizei durch Befragen seiner Freunde sein Alibi überprüfen. ‹Wo haben Sie, von Paul aus gesehen, gesessen? Ist er während des Films mal aufgestanden, um Popcorn zu kaufen? Sie sind gut befreundet und würden alles tun, um ihm aus der Klemme zu helfen, nicht?› Wenn das Alibi wasserdicht wäre, würden sie prüfen, ob es vielleicht Leute gab, die etwas gegen Paul hatten und ihm einen Streich hatten spielen wollen. Angenommen, es wäre der Wagen von Samuel Perkins gewesen, Sie wissen schon, der Mann, der ständig diese Leserbriefe an den Courier schreibt …»
    «Sam Perkins? Du liebe Güte, da müßten wir die halbe Stadt überprüfen», lachte Lanigan.
    «Jonathans Hand», stieß Miriam plötzlich hervor.
    Die beiden sahen sie verblüfft an. «Was hat Jonathans Hand mit –»
    «Er hat sich geschnitten, als er Scofield heute abend beim Reifenwechsel geholfen hat», sagte sie aufgeregt. «Scofield hat das Handtuch bestimmt einfach wieder in den Kofferraum gestopft, und als Jonathan den Wagenheber herausholen wollte, hat er sich geschnitten.»
    Lanigan erhob sich unvermittelt. «Ich gehe ins Revier, es gibt eine Menge zu tun. Ich möchte mir Scofields Wagen ansehen.»
    «Aber wie wollen Sie –»
    «Er parkt auf der Straße. Ich lasse ihn abschleppen. Ab November ist das Parken nachts auf den Straßen verboten.»
    Er ging zur Tür. Dort blieb er noch einmal stehen. «War es der pinkfarbene Wagen, der Sie auf die Idee gebracht hat?»
    «Der Fall ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen, seit ich mit Paul Kramer gesprochen hatte. Ich war überzeugt davon, daß er die Wahrheit sagt. Eine Weile dachte ich, es könnte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher