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Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Einen Stein für Danny Fisher: Roman

Titel: Einen Stein für Danny Fisher: Roman
Autoren: Harold Robbins
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auf und rieb mir die Augen. Ich war erwacht.
    Ich streckte mich und gähnte. Ich schob ein Haarbüschel aus den Augen und sah schläfrig zum Fenster. Es war ein strahlend klarer Morgen. Ich hätte noch gerne weitergeschlafen, aber mein Fenster lag nach Osten und die erste Morgensonne traf mich immer mitten ins Gesicht.
    Ich sah mich träge im Zimmer um. Meine Kleider lagen unordentlich auf einem Sessel. Der halb bespannte Tennisschläger, den ich nie fertig kriegte, lehnte an einer Tischkante. Die alte Weckeruhr, die neben Kamm und Bürste auf dem Tisch stand, zeigte ein Viertel nach sieben. Mein rot-weiß gestreifter Wimpel des Erasmus Hall-Gymnasiums hing schlaff über dem Spiegel.
    Jetzt schaute ich über den Bettrand, um meine Hausschuhe zu suchen. Sie waren nicht da. Ich grinste, denn ich wußte, wo sie waren. Rexie verschleppte sie gewöhnlich unters Bett, um sich daraus ein Kopfkissen zu machen. Ich griff hinunter und streichelte sie. Sie hob den Kopf und wedelte faul mit dem Schwänzchen. Ich streichelte sie nochmals, dann nahm ich ihr die Hausschuhe weg, stand rasch auf und schlüpfte hinein. Rexie schloß die Augen und schlief wieder ein.
    Als ich an das offene Fenster trat, hörte ich aus dem Zimmer der Eltern schwache Geräusche. Das brachte mir alles wieder in Erinnerung. Heute war der große Tag: mein Bar-Mitzvah-Tag. Aufregung und Nervosität überkamen mich. Ich hoffte, nichts von dem komplizierten hebräischen Ritual zu vergessen, das ich speziell für diese Gelegenheit hatte lernen müssen.
    Ich stand am offenen Fenster und atmete tief ein. Langsam zählte ich: "Ein — zwei — drei — vier; aus — zwei — drei — vier." Nach kurzer Zeit war meine Nervosität wie weggeblasen. Ich fühlte mich wieder frisch und munter und würde bestimmt nichts vergessen. Noch immer vor dem Fenster, zog ich meine Pyjamajacke über den Kopf und warf sie hinter mich aufs Bett. Bar-Mitzvah-Tag oder nicht, ich muß meine Ertüchtigungsübungen machen, sonst würde ich im Herbst für das Football-Team nicht schwer genug sein.
    Ich streckte mich auf dem Boden aus und machte einige Muskelübungen, dann stand ich wieder auf und machte Kniebeugen. Ich sah an mir herab. Die dünnen Muskeln und Sehnen zeichneten sich scharf von meinem Körper ab. Ich konnte meine Rippen zählen. Hierauf untersuchte ich sorgfältig meine Brust, um festzustellen, ob mir während der Nacht nicht doch einige wirkliche Haare gewachsen waren, aber es war noch immer bloß derselbe zarte goldene Flaum. Manchmal wünschte ich mir, statt blond so schwarz zu sein wie Paul. Dann wären sie vielleicht viel deutlicher zu sehen.
    Ich beendete meine Kniebeugen und holte mir aus einer Ecke des Zimmers ein Paar indische Hanteln. Wieder zum Fenster zurückgekehrt, begann ich sie zu schwingen. Gleich darauf hörte ich durch das offene Fenster das Anknipsen eines Lichtschalters, und eine Lichtflut strömte durch die Fenster des gegenüberliegenden Zimmers. Beinahe gleichzeitig ließ ich mich auf die Knie nieder und spähte vorsichtig über das Fensterbrett.
    Ich sah in das Zimmer von Marjorie Ann Conlon, Mimis bester Freundin. Manchmal waren ihre Jalousien nicht herabgelassen, und dann hatte ich eine ausgezeichnete Aussicht. Ich freute mich, daß ihr Haus nach Westen lag, so daß sie gezwungen war, jeden Morgen Licht anzudrehen.
    Vorsichtig spähte ich über das Fensterbrett und hielt den Atem an. Die Jalousien waren oben. Schon zum dritten mal in dieser Woche hatte sie vergessen, sie herabzulassen. Das letzte Mal, als ich sie belauschte, glaubte ich, daß sie mich bemerkt hatte; heute mußte ich daher besonders vorsichtig sein. Sie ist ein komisches Mädchen, sie macht sich ständig über mich lustig, aber wenn ich mit ihr spreche, starrt sie mich immer so sonderbar an. In den letzten Wochen hatten wir uns ständig, beinahe grundlos, gestritten, so daß ich sie nicht zu meiner Bar-Mitzvah-Party einladen wollte. Aber Mimi hatte darauf bestanden.
    Ich sah, wie sich die Schranktür in ihrem Zimmer leicht bewegte, und gleich darauf trat sie dahinter hervor. Sie hatte nichts an als ein Höschen. Sie blieb einen Moment mitten im Zimmer stehen und suchte etwas. Schließlich fand sie es und bückte sich, dem Fenster zugewandt, um es aufzuheben. Ich fühlte, wie mir der Schweiß auf die Stirn trat. Ich hatte tatsächlich eine vorzügliche Aussicht.
    Paul behauptete, sie habe die schönste Gestalt in der ganzen Gegend. Ich konnte das aber nicht finden. Mimis Gestalt
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