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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dann müssen wir mitten durch die Indios durch und sie holen! Das kann uns trotz Dynamit und Raketen den Kragen kosten! Irgendeiner der kleinen Kerle kann immer noch blasen, und wenn's aus Panik ist. Wo diese Pfeile treffen, nützt kein Abbinden mehr!«
    Die Stunden tropften dahin, unendlich langsam, höllisch heiß und nur einmal von einem klatschenden Regen unterbrochen. Diesen Regen nutzten Peters und Serra aus, um etwas zu essen, sich zu bewegen, ihre Lage zu verändern, und sie wagten es sogar, sich hinzusetzen, verdeckt durch die künstlichen Büsche, um die fast schon erstarrten Muskeln zu bewegen.
    »Ich stelle mir das so vor«, sagte Serra dabei, »daß wir zuerst das Dynamit werfen! Wenn wir genau wissen, wo Gloria in der Nacht hingeschafft wird, legen wir die Sprengstoffstangen genau zwischen sie und das andere Dorf. Dann lassen wir die Kracher hochgehen, und Sie springen los und versuchen, das Mädchen herauszuholen. Unterdessen wechsele ich zu den Raketen und zeige den Ximbús mal, wie aus der Nacht ein paar Dutzend rote Sonnen geboren werden. Das wird sie lähmen. Das begreifen sie nie. Und das ist Ihre einzige Chance, Hellmut! In diesen paar Minuten müssen Sie Gloria auf dem Floß haben, sonst schaffen Sie es nie mehr! Wir müssen vom Ufer abstoßen, während noch die Raketen explodieren. Ich kann Ihnen bei dieser Arbeit nicht helfen, das wissen Sie. Ich werde mit dem Feuerzauber vollauf beschäftigt sein.«
    »Ich werde es schaffen«, sagte Peters verbissen. »Gewöhnen Sie sich endlich ab, mich als einen Weichling anzusehen. Diese Wochen im Urwald haben mich zehn Jahre älter gemacht.«
    Einmal, am späten Nachmittag, wurde die Situation kritisch. Eine Gruppe von vier Booten stießen vom Ufer ab und fuhren nebeneinander auf dem Fluß. Langsam zogen sie auch an der schwimmenden Insel vorbei.
    Peters und Serra lagen flach auf dem Floß, die Gewehre schußbereit vor sich. Sie wagten nicht zu atmen und beobachteten die Ximbús, die mit kräftigen Paddelschlägen an ihnen vorbeiglitten. Eine Stunde vorher hatten sich Serra und Peters die Gesichter noch mit dem harzigen Schmutz der Floßstämme eingerieben … das tönte die Haut etwas, ließ sie grünlich werden und ihre Köpfe im Buschwerk untergehen.
    Die Ximbús fuhren in die Mitte des Flusses, stellten sich dann gegen die Strömung, und während vier der Paddler die Boote auf der Stelle hielten, stachen die anderen mit langen, dünnen Speeren die Fische aus dem Wasser.
    »Was machen wir, wenn sie die schwimmende Insel besichtigen?« flüsterte Peters dicht neben Serra.
    »Das überlege ich mir auch schon die ganze Zeit.« Serra kaute nervös auf einem Aststück herum. Er vermißte seine furchtbar stinkende, geliebte Tabakrolle. »Eigentlich gibt es da nur eins: das eigene Leben retten! Für Gloria können wir dann nichts mehr tun. Hellmut, fressen Sie mich nicht mit den Augen auf. Es ist die Wahrheit! Nur die totale Überraschung kann die Ximbús überwältigen, an alles andere sind sie gewöhnt. Ihr Paradies ist die Hölle, aber sie kennen ja nichts anderes.« Er sah hinüber zu den fischenden Indios und dann hinauf in den Abendhimmel. »Jetzt wird Xinxaré sich ausgetobt haben. Ein Gutes hat die Sache: Wir haben einen Krieg verhindert. Gibt es keine weiße Göttin mehr, haben auch die Yincas das Interesse an den Ximbús verloren, bis auf die normalen Kopfjagden. Aber das ist schon mehr sportlicher Natur.«
    »Ich bin froh, daß ich in Kürze nicht mehr Ihre Reden anhören muß«, sagte Peters heiser. »Einmal wird man auch diese Indios aus der Steinzeit herausholen.«
    »Mit Missionaren, Whisky, Hemd und Hose und einem Platz in den Entwicklungsplänen der Regierung? Himmel, tun Sie das den armen Kerlen bloß nicht an! Jetzt leben sie noch als Menschen, später sind es Marionetten. Sie stoßen sich an der Kopfjagd?« Serra legte sich wieder auf den Rücken. Auf dem Fluß stachen die Ximbús noch immer Fische aus der Strömung. »Diese typische Zivilisationsheuchelei. Hellmut, wieviel Tote hat der letzte Weltkrieg gekostet?«
    »Man spricht von 55 Millionen Gefallenen.«
    »55 Millionen Köpfe! Und da meckern Sie, wenn die Indios im Urwald sich zehn als Kette um den Hals hängen? Verdammt, seien Sie still mit der verlogenen Moral! Ruhig liegen! Die Kerle kommen zurück.«
    Schwer beladen mit Fischen zogen die vier Boote wieder an ihnen vorbei. Niemand sah hinüber zu der an dem Ast festgehakten schwimmenden Insel. Warum auch? Man kannte diese vom
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