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Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen

Titel: Eine Urwaldgöttin darf nicht weinen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Arm tut zwar saumäßig weh, aber ich möchte nicht, daß nach der Einrenkung die Handflächen plötzlich nach vorn stehen.«
    »Reden Sie keinen Quatsch, Hellmut. Es ist nur ein Ruck – dann ist alles vorbei.«
    »Nur ein Ruck! Haben Sie das schon einmal gemacht?«
    »Nein, aber bei meinem Vater zugesehen.«
    »Ich habe auch schon zugesehen, wie ein Panther sich auf ein Warzenschwein stürzte, und trotzdem falle ich nicht über Sie her.«
    »Danke für das Warzenschwein! Hellmut, seien Sie kein Feigling! Es ist wirklich nur ein Ruck! Wir werden Ihren linken Arm noch brauchen. Von selbst kugelt er sich nicht wieder ein. Beißen Sie die Zähne zusammen.«
    Er spürte Glorias Hände an seiner linken Schulter und zuckte zusammen. »Halt!« rief er. »Ohne Narkose?«
    »Natürlich!« Glorias Finger glitten über die ausgerenkte Schulter. Sie tastete deutlich die herausgesprungene Oberarmkugel und ließ ihre Hände darauf liegen. »Für so etwas opfere ich kein Medikament. Ich könnte Ihnen höchstens den Hammer auf den Kopf schlagen.«
    »Und so etwas ist das hübscheste Mädchen von Brasilien.« Hellmut Peters kniff die Lippen zusammen. »Los, machen Sie schon«, sagte er durch die aufeinandergebissenen Zähne. »Glauben Sie bloß nicht, daß alle Männer Helden sind. Sie tun nur so –«
    »Achtung!« Glorias Hände packten zu. Ein kräftiger Ruck, unterstützt durch einen Druck ihrer Knie gegen seinen Rücken, in der Schulter knackte es laut, Peters öffnete den Mund, wollte brüllen, aber da war der Schmerz schon vorbei, kalter Schweiß brach ihm aus, als sei jede Pore ein Wasserhahn. Sein Kopf sank nach vorn, er hatte das Gefühl, sich erbrechen zu müssen.
    »Vorbei!« sagte Gloria. Ihre Stimme schwankte etwas. Sie kniete neben Peters, streichelte sein schweißnasses Gesicht und schob die struppigen Haare aus seiner Stirn. »Vorbei, Hellmut. Heben Sie mal den Arm!«
    »Gloria«, keuchte er. »Verdammt, das war gemein, Gloria.«
    »Sie haben eine merkwürdige Art, danke schön zu sagen.«
    »Ich weiß.« Er nickte, faßte mit seiner linken Hand nach ihrem Gesicht, hob damit den eingerenkten Arm – er zitterte noch ein bißchen – und sah sie mit zuckenden Lippen an. »Es ist die dämlichste Zeit dafür, aber jetzt habe ich den Mut dazu: Ich liebe Sie.«
    Sie entzog ihm ihren Kopf mit einem Ruck und ließ sich nach hinten auf ihre Beine fallen. »Das ist blöd, Hellmut.«
    »Ich weiß es. Vergessen Sie es, Gloria.«
    »Das kann ich nicht mehr.« Sie sprang auf. »Es war meine erste Liebeserklärung –«
    Bevor Peters etwas sagen konnte, lief sie weg, hinüber zu Schwester Rudolpha.

3
    Drei Tage dauerte es, bis Pater Juan Santo erlöst wurde. Drei Tage, in denen er jämmerlich erstickte. Ein Mensch, der nur noch ein Fünftel seiner Haut besitzt, kann nicht mehr atmen, denn ein Mensch ist nicht bloß ein Lungenatmer, er saugt die Luft auch mit seinen Poren ein.
    Drei Tage und Nächte saßen Gloria, Hellmut Peters und Schwester Rudolpha neben dem röchelnden, japsenden Verbrannten, bis Peters aufsprang und den zerbrochenen Flugzeugrumpf verließ.
    »Wieviel Morphium braucht man, damit er endlich einschläft?« fragte er heiser.
    »0,1 Gramm – das sind 10 Ampullen. Und wir haben nur noch vier.« Gloria sah Peters aus flatternden Augen an. »Es reicht nicht, Hellmut.«
    »Dann erschlage ich ihn!« Peters ballte die Fäuste und drückte sie gegen seinen Mund. »Es ist immer noch humaner, als ihn so elend krepieren zu lassen!«
    »Er hat keine Schmerzen mehr.«
    »Das wissen Sie nicht.«
    »Er ist nicht mehr bei Besinnung.«
    »In der Nacht hat er die Augen aufgeschlagen und mich angesehen. Ein völlig klarer Blick. Ich hätte schreien können. Gloria –« Peters packte sie an den Schultern. Sein Griff tat weh, sie verzog das Gesicht, aber sagte nichts. »Holen Sie Schwester Rudolpha hinaus. Nehmen Sie sie unter irgendeinem Vorwand mit. Nur ein paar Minuten; dann ist alles vorbei.«
    »Sie tun es nicht –«, sagte sie leise. Und dann lauter: »Hellmut, Sie tun es nicht. Sie dürfen es nicht tun! Ich könnte nie mehr die Hand ertragen, die einen Menschen umgebracht hat. Hellmut –«
    »Dieses verfluchte Sterben! Denken können und ersticken müssen. Gibt es Furchtbareres?«
    Er wandte sich ab, ging hinüber zu dem ausgeglühten Motor und hieb in ohnmächtiger Verzweiflung die Fäuste gegeneinander.
    Drei harte Tage lagen hinter ihnen. Sie hatten die Toten begraben mit dem einzigen kleinen Spaten, den sie im
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