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Eine Tankstelle fuer die Seele

Eine Tankstelle fuer die Seele

Titel: Eine Tankstelle fuer die Seele
Autoren: Anna E. Roecker
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dem gemeinsamen Haushalt. Der Übergang von der aktiven Arbeitsphase in den sogenannten Ruhestand bedeutet für die einen den Verlust von Macht, von einer Position, in der sie im Mittelpunkt des Geschehens standen. Für andere ist es der Verlust einer sinnvollen Struktur oder einer erfüllenden kreativen Tätigkeit. Viele sind erleichtert, dem Alltagsstress entfliehen zu können, und trotzdem ist es auch in diesem Fall erforderlich, sich mit der Übergangsphase auseinanderzusetzen. Wichtig ist insbesondere, die damit verbundenen Gefühle nicht zu verdrängen. Vielleicht gibt es noch alten Groll auf Chefs oder Kolleginnen oder Enttäuschungen, die jetzt erst wirklich ins Bewusstsein kommen? Vielleicht muss man sich einfach nur eingestehen, dass man seinen Job vermisst, dass es einem schwerfällt, alt zu werden, dass man Angst vor Krankheit hat usw? Im nächsten Schritt muss ein neuer Platz oder ein neuer Kanal für die jetzt brachliegende Energie und Kreativität gefunden werden, wie sportliche Betätigung, eine Aufgabe oder die Pflege des Bekanntenkreises. Wird die Phase des bewussten Loslassens übersprungen und sich dafür gleich mit voller Kraft ins Neue gestürzt, kommt es nicht selten zu Krankheit oder sogar zum plötzlichen Herztod.
    Am Ende eines solchen Übergangsprozesses steht im besten Fall die Akzeptanz des Eintritts in diese letzte Lebensphase mit all ihren positiven Seiten: Befreiung von Druck und Verantwortung, neu gewonnene Lebenszeit und neue Freiheiten. Dieser Prozess gelingt uns umso leichter, je mehr wir dabei die inneren Wurzeln spüren. Dabei geht es zum einen um unseren Körper und die Verbundenheit mit der Natur. Des Weiteren geht es um die seelisch-geistigen Wurzeln, um re-ligio im wahrsten Sinne, also um Rückverbindung mit unserem inneren Kern, dem inneren Selbst, mit dem Göttlichen in uns.
    Ich hatte das Glück, in meiner Praxis und auch in meinem privaten Umfeld Menschen erleben zu dürfen, die selbst schwere Schicksalsschläge in dieser Haltung getragen und dabei angesichts des Todes noch eine gewisse heitere Gelassenheit gezeigt und andere getröstet haben. Durch diese Menschen wurde mir deutlich, dass sich zwar der körperliche Prozess vom Kind zum alten Menschen, vom Aufbau zum Verfall und schließlich zum Tod, scheinbar abwärts bewegt, der seelisch-geistige Prozess aber in entgegengesetzter Richtung, nämlich aufwärts zu einem feineren, weiterentwickelten Bewusstsein. So kann im Verlauf des Altwerdens die Wichtigkeit der eigenen Person auf natürliche Weise in den Hintergrund treten, ohne falschen Altruismus, sondern mit großer Weite, Verständnis und Mitgefühl. Hier begegnen wir dem Archetyp der Weisen Alten oder des Alten Weisen, der sich von alten, begrenzenden Mustern gelöst hat, der frei geworden ist, sein Wesen zum Ausdruck zu bringen, und dabei das Ganze und nicht nur den jeweiligen Ausschnitt überblickt.

Alchemie – zeitloses Wissen
    In den Weisheitslehren der Welt gibt es viele Beschreibungen von Lebensprozessen, wie sie zum Beispiel in den vier Phasen des Trauerprozesses (Verleugnung, wechselnde Gefühlszustände, langsame Aufarbeitung und Trennung, neuer Selbst- und Weltbezug ohne den verlorenen Menschen) beschrieben werden. Immer wieder geht es dabei um das Vertrauen in den zielsuchenden Prozess der Seele, von dem C.G. Jung spricht, wenn er sagt: »Denn in allem Chaos ist Kosmos und in aller Unordnung geheime Ordnung, in aller Willkür stetiges Gesetz.« Diese geheime Ordnung zu entdecken, die auch hinter dem Dickicht von Depression oder Angst wirkt, gehört nicht nur in der Therapie zu den schwierigsten Aufgaben. Das Zurückgreifen auf altes Wissen, wie es in der Alchemie praktiziert wird, kann sehr hilfreich sein, um das Vertrauen in diesen Prozess nicht zu verlieren. C.G. Jung sah in den alchemistischen Prozessen und Wandlungsphasen eine Entsprechung zum therapeutischen Prozess und vor allem zu dem von ihm beschriebenen Individuationsweg. Der Alchemist sieht zum Beispiel in den verschiedenen Pflanzen, die er in besonderer Weise vergärt, destilliert oder bearbeitet, bereits das am Ende des Prozesses stehende Heilmittel vor seinem geistigen Auge. Auch hier sah Jung eine Analogie, wenn er sagte, dass die Bemühung des Arztes wie das Suchen des Patienten auf jenen verborgenen, noch nicht manifestierten »ganzen« Menschen zielt, welcher zugleich der Größere und Zukünftigere ist. »Aber«, führt Jung im Folgenden aus, »der Weg zur Ganzheit besteht – leider
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