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Eine Sündige Nacht

Titel: Eine Sündige Nacht
Autoren: Sandra Brown
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stirbt.«
    »Zwölf Jahre lang haben sie sich weder gesehen noch gesprochen, Granger. Ich bin mir nicht sicher, ob Rink zurückkommt.«
    »Das wird er, wenn er die Umstände kennt.«
    Wird er? Oh Gott, würde er wirklich? Würde sie ihn wiedersehen? Was würde sie dabei fühlen? Wie sah er wohl aus? Es war alles schon so lange her. Zwölf lange Jahre. Sie hielt sich mit den Händen an dem gepolsterten Lenkrad ihres Lincoln fest. Ihre Handflächen waren feucht. Sie fühlte, wie Schweiß sich überall auf ihrem Körper ausbreitete.
    »Mach dir darüber keine Sorgen«, sagte Granger, der ihre Bedrängnis spürte. »Da du Rink nicht kennst, werde ich ihn anrufen, um es ihm zu sagen.«
    Caroline belehrte ihn nicht eines Besseren. Dass Rink und sie sich kannten, war zwölf Jahre lang ein gut gehütetes Geheimnis geblieben. Sie hatte nicht vor, jetzt etwas daran zu ändern. Stattdessen legte sie ihre Hand auf die von Granger, der sich mit der anderen auf die Polsterung ihres Autofensters stützte. »Dank dir für alles.«
    Er sah recht unscheinbar aus, und seine hängenden Gesichtspartien erinnerten ein wenig an einen Dackel. Seine Wangen baumelten wie leere Lederbeutel zu beiden Seiten seines Kiefers herunter. Zu seiner Erscheinung passte es so gar nicht, dass er bei ihrer Berührung wie ein Schuljunge errötete. Er war zerknittert und lief gebeugt, bewegte sich im Allgemeinen langsam. Er sprach leise und freundlich und hatte mit dieser Art schon viele hinters Licht geführt. Obwohl er so gutmütig und harmlos wirkte, hatte er aber einen
messerscharfen Verstand, dem nichts entging. »Ich bin froh, wenn ich dir irgendwie helfen kann. Gibt es sonst noch etwas?«
    Sie schüttelte den Kopf. Es war eine große Erleichterung für sie, dass er freiwillig angeboten hatte, Rink anzurufen. Wie hätte sie das jemals bewerkstelligen sollen? »Ich werde es Laura Jane sagen müssen.« Ihre grauen Augen füllten sich mit Tränen. »Das wird nicht leicht werden.«
    »Du wirst das besser als jeder andere meistern.« Er tätschelte ihre Hand und trat zurück. »Ich ruf dich heute Nachmittag an und fahre dich zum Krankenhaus, wann immer du möchtest.«
    Sie nickte, startete das Auto und legte den Gang ein. In der Stadt war viel los, als sie durch die Straßen fuhr. Roscoes Operation war für den frühen Morgen angesetzt gewesen. Inzwischen war das Geschäftsleben in vollem Gang. Die Menschen gingen ihren Alltagsgeschäften nach, ohne zu ahnen, dass Caroline Dawson Lancasters Welt sich wieder einmal auf den Kopf gestellt hatte.
    Der Mann, der erst ihr Arbeitgeber, später ihr Ehemann geworden war, würde sterben. Ihre Zukunft, die für so kurze Zeit sicher gewesen war, schien wiederum ungewiss. Roscoes Tod bedeutete für sie nicht nur den Verlust eines wichtigen Menschen, sie würde außerdem diese Station ihres Lebens verlassen.
     
    Sie fuhr an der Baumwoll-Entkörnungsanlage, der Lancaster Baumwollfabrik, vorbei. Dort rüsteten sich alle für ein reiches Erntejahr. Der Vorarbeiter musste bald erfahren, wie es um Roscoe stand. Das würde sie erledigen müssen, da sie sich in den letzten Monaten um alles dort gekümmert hatte,
als Roscoes schlechte Gesundheit ihn bereits davon abgehalten hatte. Der Vorarbeiter würde die Neuigkeit an die Arbeiter weitergeben. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis jeder in der Stadt wusste, dass Roscoe Lancaster im Sterben lag.
    Die stadtbekannten Klatschtanten kriegten sich gar nicht mehr ein, als Caroline Dawson und Roscoe Lancaster, der dreißig Jahre älter war als seine Braut, ihre Absicht einander zu heiraten verkündet hatten. Die Leuten fanden, dass das Dawson-Mädchen, das aus ärmlichen Verhältnissen stammte, seinen Lebensstandard ganz schön nach oben geschraubt hatte, wo sie jetzt im Herrenhaus mit dem Namen The Retreat lebte, einen neuen, blitzblanken Lincoln fuhr und allzeit in todschicken Kleidern auftauchte. Menschenskinder! Was glaubte die eigentlich, wer sie war? Es konnte sich noch jeder Einzelne von ihnen daran erinnern, wie sie geflickte Kleidung trug und nach der Schule bei Woolworth arbeitete. Jetzt aber, als Mrs. Roscoe Lancaster, der Frau des reichsten Mannes weit und breit, machte sie auf vornehm.
    Genau genommen mied Caroline die Städter, um deren vielsagenden Blicken zu entgehen. Blicke, die ihr verrieten, dass die Leute sich das Hirn darüber zermarterten, über welche Zauberkräfte sie wohl verfüge, die den alten Roscoe dazu gebracht hatten, sie zu heiraten, nachdem er schon
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