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Eine Sünde zuviel

Eine Sünde zuviel

Titel: Eine Sünde zuviel
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Luise nie mehr verlassen –«, sagte Monika Horten fest.
    »Du bist noch so jung, Moni …« Dahlmann würgte an den Worten. »Eines Tages … es wird ein Mann kommen … du heiratest … das Leben geht ja weiter, Moni … und dein Leben beginnt ja erst …«
    »Im Hause der Mohren-Apotheke ist Platz für zwei Familien. Ich geh' nicht mehr fort –«
    Dahlmann biß die Zähne zusammen. Es war ein körperlicher Schmerz für ihn, daß sie nicht sagte: Ich heirate nie! Es tat ihm bis in die feinsten Nerven weh, daß sie damit rechnete, einmal einem Mann zu begegnen, den sie lieben konnte. Unter einem Dach, dachte er. Ein Mann an ihrer Seite unter meinem Dach. Ich werde zum Mörder werden … O Gott, man könnte es nur verhindern, wenn man mir das Herz herausreißt –
    »Es ist so schön, daß du da bist, Moni …«, sagte Luise zärtlich. Sie streichelte wieder das lange blonde Haar ihrer Schwester und drückte sie an sich. »Fast ein Jahr habe ich dich nicht gesehen … und nun –« Sie wandte plötzlich den Kopf ab und sank zurück in die Kissen. Monika umklammerte sie.
    »Du wirst mich wieder sehen können …«, rief sie. Es sollte tröstend sein, aber die Verzweiflung schrie deutlicher aus den Worten. »Glaub es mir … du wirst wieder sehen können, und wir werden Spazierengehen, wir werden hinausfahren zum Steinhuder Meer und wie damals um den ganzen See segeln. Weißt du noch, wie das Boot umkippte und du mich vor dem Ertrinken gerettet hast. Zwei Stunden lang trieben wir mit dem umgestürzten Boot im See, klammerten uns am Kiel fest … Luise, glaub mir … du wirst wieder sehen können –«
    »Ich glaub es, Kleines … ich glaub es ja …« Luise ließ sich zurücksinken. Sie hielt die Hände Monikas fest, tröstend und begütigend, wo in ihr selbst ein neuer Brand aufglühte und die dünne, künstliche Wand der Beherrschung zerstörte.
    Die Angst, das Fürchterlichste, das sie bisher mit aller Kraft zu unterdrücken versuchte, kam wieder in ihr hoch. Sie war plötzlich so mächtig, daß alle Logik, alle schönen Selbstgespräche der Nacht untergingen in dem Sturm, den die Angst in ihr erzeugte.
    »Ernst …«, rief sie. »Ernst –«
    »Luiserl –« Dahlmann beugte sich über ihren unförmigen Kopf. »Ich bin da –«
    »Du hast mit den Ärzten gesprochen –«
    »Ja.«
    »Was sagen sie? Bitte, bitte, belüg mich nicht … du weißt, daß ich stark genug bin, die Wahrheit zu erfahren. Was sagen sie –«
    »Sie haben Hoffnung, Luiserl …«
    »Du belügst mich nicht, nicht wahr?«
    »Nein, Liebes.« Dahlmann kaute an seiner Unterlippe und zwang sich, seiner Stimme einen normalen, hoffnungsvollen Klang zu geben. »Du weißt, daß auch die Augen etwas abbekommen haben –«
    »Gesagt hat es mir noch keiner. Aber ich weiß es –«
    »Die Hornhäute sind getrübt …« Dahlmann atmete tief auf; es war schwer, zu lügen, zumindest in diesem Falle. »Es kann sogar sein, daß sich alles gibt. Das wird sich bald herausstellen. Auf jeden Fall ist man sehr hoffnungsvoll.«
    »Und mein Gesicht?« Sie drehte den bandagierten Kopf zu ihm. Jetzt sieht sie mich an, dachte Dahlmann und schauderte. Sie sieht mich forschend an, und ich weiß sogar, daß sie mich sieht, auch wenn ewige Nacht um sie ist.
    »Ernst … wie ist mein Gesicht?«
    »Wie es nach einer Verätzung aussieht, Luiserl. Was soll ich da sagen –«
    »Also schlimm? Verbrannt. Häßlich.«
    »So schlimm ist es nicht. Du weißt, daß es kosmetische Operationen gibt. In einem Jahr wirst du wieder aussehen wie früher … vielleicht noch hübscher –«
    Es sollte wie ein Scherz klingen … Luise faßte es auch so auf; sie sah ja nicht, wie Dahlmann bei diesen Worten Monika anblickte und das Wort ›hübscher‹ zu einer Liebeserklärung wurde. Auch Monika bemerkte es nicht … sie starrte gegen die weiße Wand und hatte den Schock noch nicht überwunden.
    Ernst Dahlmann ging hinaus. Er ahnte, daß er die Schwestern allein lassen mußte. Es gab Dinge, die selbst ein Ehemann nicht zu hören brauchte.
    Auf dem Flur traf er den Stationsarzt. Seit der Einlieferung und dem ersten Bericht Dr. Ronnefelds war es die erste fachärztliche Stellungnahme.
    »Wir wollen ehrlich sein«, sagte der Stationsarzt und trat mit Dahlmann an eines der Flurfenster. »Ihre Gattin wird blind sein –«
    »Das habe ich befürchtet.« Dahlmann zündete sich mit bebenden Fingern eine Zigarette an. »Und … und sie wird es bleiben, nicht wahr?«
    »Aller Voraussicht nach … ja. So
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