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Eine schwimmende Stadt

Eine schwimmende Stadt

Titel: Eine schwimmende Stadt
Autoren: Jules Verne
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Mac Elwin.
    Der Great-Eastern schickte sich zur Abfahrt an; der Rauch begann spiralförmig seinen fünf Schornsteinen zu entströmen, ein heißer Brodem durchzog die tiefen Räume, welche unmittelbar zu den Maschinen führten; einige Matrosen putzten an den vier mächtigen Kanonen, mit denen wir Liverpool im Vorbeifahren salutiren sollten, und die Matrosen gingen auf den Raaen einher und machten Tauwerk frei. Man zog die Wanten straff auf ihren dichten, an das Innere der Verschanzungen angehakten Jungfern, und gegen elf Uhr schlugen endlich die Tapezierer den letzten Nagel ein, und die Maler waren mit dem Anstrich fertig. Dann begaben sich die Handwerker auf das Lichterschiff, um auf ihm wieder zur Stadt zurückzukehren.
    Sobald genügender Druck vorhanden, wurde der Dampf in die Cylinder der das Steuerruder bewegenden Maschine gelassen, und die Maschinenbauer constatirten, daß der sinnreiche Apparat regelmäßig arbeite.
    Das Wetter war ziemlich gut; die Sonne brach hie und da in mächtigen Streiflichtern durch die Wolken. Auf dem Meere mußte heute eine kräftige Brise wehen; ein Umstand, der den Great-Eastern glücklicherweise nur wenig zu kümmern brauchte.
    Alle Officiere waren an Bord und auf die verschiedenen Punkte des Schiffes vertheilt, um das Lichten der Anker vorzubereiten. Das Officiercorps bestand aus einem Kapitän, dem Obersteuermann, zwei Untersteuermännern, aus fünf Lieutenants, von denen einer, M. H …, ein Franzose war, und einem Freiwilligen, gleichfalls Franzosen.
    Kapitän Anderson genießt als Seemann im englischen Handelsverkehr einen großen Ruf; ihm hat man auch die Legung des transatlantischen Kabels zu danken, wenn man hiebei auch in Erwägung ziehen muß, daß er unter bei Weitem günstigeren Verhältnissen, als seine Vorgänger, das Unternehmen antrat, da ihm der Great-Eastern zur Verfügung stand. Wie dem jedoch sein möge, sein Erfolg in dieser Operation hat ihm den Titel »Sir« eingebracht, der ihm nach seiner Rückkehr von Ihrer Majestät der Königin verliehen wurde.
    Ich fand in Kapitän Anderson einen sehr liebenswürdigen Befehlshaber. Es war ein Mann von etwa fünfzig Jahren mit einem Haarwuchs von fahlblonder Farbe, die den Vorzug hat, ihre Nüance bis in’s hohe Alter nicht zu verändern; seine Gestalt war hoch und kräftig, sein Gesicht breit, ruhig und lächelnd von durchaus englischem Schnitt; er pflegte ruhig und gleichmäßig, mit blinzelndem Auge einherzuschreiten und mit sanft gedämpfter Stimme seine Befehle zu ertheilen. Immer elegant in einen mit dreifachen, goldenen Treffen besetzten Ueberrock gekleidet, machte er sich nie des Vergehens schuldig, mit den übrigens jederzeit sein behandschuhten Händen in den Taschen umherzuschlendern.
     

    Vom Lichterschiff auf den Great Eastern. (S. 19.)
     
    Als besonderes Kennzeichen mag noch erwähnt werden, daß stets ein Zipfelchen seines weißen Taschentuches aus dem blauen Rocke hervorlugte.
    Zu Kapitän Anderson bildete der Obersteuermann einen eigenthümlichen Contrast. Man denke sich ein kleines, lebhaftes Männchen mit auffallend gebräunter Hautfarbe, etwas gerötheteten Augen, schwarzem Vollbart und bedenklich einwärts gekrümmten Beinen, die allen Ueberraschungen des Rollens Trotz boten. Ein thätiger, in allen Einzelheiten wohl bewanderter Seemann, gab er rasch mit abgebrochener Stimme seine Befehle, die der Bootsmann dann mit dem heiseren Löwengebrüll wiederholte, das der englischen Marine erb-und eigenthümlich ist. Ich hielt diesen Obersteuermann Namens W ….. für einen Marine-Officier, der sich besonderer Erlaubniß zufolge an Bord des Great-Eastern befand, er war durch und durch, was man »einen alten Seebären« nennt, und stammte jedenfalls aus der Schule jenes heldenmüthigen französischen Admirals, der seinen Leuten beim Kampfe zurief: »Jungens, aufgepaßt! Ihr wißt, daß ich mein Schiff in die Luft zu sprengen pflege!«
    Von diesem Officiercorps abgesehen, standen die Maschinen unter dem Commando des Oberingenieurs, der von acht bis zehn Maschineningenieuren unterstützt wurde. Unter seinem Befehle manoeuvrirte ein Bataillon von zweihundertundfünfzig Mann, unter ihnen Assistenten, Oberheizer, Heizer und Kohlenzieher, welche die Tiefen und Abgründe des Schiffes fast nie verließen.
    Dieses Bataillon hatte die Aufgabe, die Feuer der zehn Kessel – ein jeder hatte zehn Feuerungen – also im Ganzen hundert Feuer zu beaufsichtigen und zu unterhalten.
    Die eigentliche sogenannte Bemannung des
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