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Eine schwimmende Stadt

Eine schwimmende Stadt

Titel: Eine schwimmende Stadt
Autoren: Jules Verne
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man einen mehrmonatlichen Urlaub besser benutzen, als sich die Welt anzusehen?
    – Welch’ glücklicher Zufall, daß auch Du den Great-Eastern zu Deiner Reise gewählt hast!
    – Es ist dies kein Zufall, Kamerad; ich hatte aus der Zeitung ersehen, daß Du Dich auf dem Great-einschiffen würdest, und da wir seit mehreren Jahren nicht zusammengekommen sind, habe ich mich gleichfalls an Bord begeben, um die Reise in Deiner Gesellschaft zu machen.
    – Du kommst direct von Indien?
    – Mit dem Godavery, der mich vorgestern nach Liverpool gebracht hat.
    – Und Du reisest, Fabian? ….. fragte ich von Neuem, den schwermüthigen Ausdruck seines bleichen, traurigen Gesichts bemerkend.
    – Um mich zu zerstreuen, wenn dies überhaupt möglich ist,« antwortete der Hauptmann Fabian Mac Elwin, und reichte mir mit trübem Blick die Hand.
Viertes Capitel.
Ankersichten. – Böses Omen.
    Fabian hatte mich verlassen, um das Unterbringen seiner Sachen und seine häusliche Einrichtung auf Cajüte 73, deren Nummer auf seinem Billet eingetragen war, zu überwachen. In diesem Augenblick wirbelten dicke Rauchsäulen aus den großen Schornsteinen des Schiffes, und man hörte die Kessel bis in die Tiefen des Schiffes erzittern. Der betäubende Dampf verbreitete sich durch die Dampfauslaßrohre und fiel in seinem Regen auf das Verdeck nieder. Einige geräuschvolle Gegenströmungen verkündeten, daß die Maschinen geprobt wurden. Der Ingenieur hatte richtigen Dampfdruck, und man konnte abfahren.
    Zunächst mußten die Anker gelichtet werden. Die Fluth war noch im Steigen, und der Great-Eastern bot ihr, als er unter ihrem Stoßen gewendet hatte, das Vordertheil; er war jetzt bereit, den Fluß abwärts zu fahren.
    Der Kapitän hatte diesen Augenblick wählen müssen, um sich segelfertig zu machen, denn die Länge des Great-Eastern gestattete ihm nicht, in der Mersey Evolutionen zu machen. Wenn er nicht von der Ebbe fortgezogen wurde, sondern der raschen Fluth entgegenfuhr, war er seines Schiffes mehr Herr und konnte mit größerer Sicherheit zwischen den zahlreichen Schiffen, die den Fluß durchfurchten, hinweg manoeuvriren. Der geringste Zusammenstoß mit diesem Koloß wäre unheilvoll gewesen.
    Es erforderte beträchtliche Anstrengungen, unter diesen Umständen die Anker zu lichten. In der That spannte das Dampfschiff, von der Strömung getrieben, die Ketten, auf denen es festsaß, an. Außerdem wurde die ungeheure Masse von einem heftigen Südwestwind erfaßt, der seine Kraft mit der Fluth verband. Man mußte demzufolge mächtige Maschinen anwenden, um die gewichtigen Anker aus ihrem schlammigen Grunde emporzureißen. Das »Anchor-boat«, ein zu dieser Operation bestimmtes Boot, hatte sich auf den Ketten gestoppt; aber seine Gangspillen genügten nicht, und man mußte sich der mechanischen Apparate bedienen, die dem Great-Eastern zur Verfügung standen.
    Auf dem Vordertheil war eine Maschine von siebenzig Pferdekraft zum Aufhissen der Anker aufgestellt. Man brauchte nur den Dampf aus den Kesseln in ihre Cylinder zu lassen, um sofort eine bedeutende Kraft zu erhalten, die direct auf das Gangspill übertragen werden konnte, um die Ketten aufzuwinden. Dies geschah; aber so mächtig die Maschine auch arbeitete, sie bewies sich als unzureichend; man mußte ihr auf irgend eine Weise zu Hilfe kommen. Kapitän Anderson ließ die Spillspaken anlegen, und etwa fünfzig Leute von der Mannschaft wurden am Gangspill angestellt.
    Das Dampfschiff fing an, auf seine Anker zu treiben, aber die Arbeit ging langsam von Statten. Die Laufknoten klirrten nicht ohne Mühe in den Klüsgaten des Vorderstevens, und meiner Meinung nach hätte man die Ketten, um sie leichter anzuholen, durch einige Radumdrehungen erleichtern können.
    Ich stand in diesem Augenblicke mit einigen anderen Passagieren auf dem Deckzimmer des Vordertheils. Wir beobachteten alle Einzelheiten des Vorganges und die Fortschritte des Ankerlichtens. Ein Reisender, der dicht neben mir stand, zuckte, wahrscheinlich ungeduldig über die Verzögerung, häufig mit den Achseln und ließ Spöttereien über die Machtlosigkeit der Maschine hören. Es war ein kleiner, magerer, nervöser Mann mit fieberhaft hastigen Bewegungen, dessen Augen man unter ihren gesenkten Lidern kaum gewahrte. Ein Physiognomiker hätte von vornherein erkannt, daß die Vorkommnisse dieses Lebens solchem Philosophen aus der Schule Demokrit’s nur von ihrer scherzhaften Seite erscheinen mußten, denn die für die Action des
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