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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.
Autoren: Andrea Camilleri
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Nazareths und des Sees Genezareth zu sehen. In der Mitte unter dem Siegel der »heiligen Stätten in Jerusalem« waren eine Kreuzigungsszene mit den frommen Frauen und darunter ein Rundbild des Heiligen Grabs. All diese Illustrationen und Schriften füllten zwei Drittel des Papiers aus, der Rest war in zwei breiten Kolonnen geschrieben, und in der Mitte prangten das Siegel des »Kommissariats des Heiligen Lands« sowie das Datum der Urkundenausstellung.
     Der Text erläutert, wie sich die franziskanischen Minderbrüder seit über siebenhundert Jahren nicht nur dem Erhalt der heiligen Stätten gewidmet, sondern daß sie auch Schulen, Seminare, Kirchen und Druckereien gegründet haben. Dann folgt die recht umfangreiche Liste der Päpste, die auf mannigfache Weise das »Generalkommissariat« unterstützt haben und von denen zwei besonders auffallen. Der eine ist Leo XIII. der eigens in einer Enzyklika anordnete, daß jeden Karfreitag Spenden für die heiligen Stätten gesammelt werden »mit dem Verbot, dieselben zu anderen Zwecken zu verwenden, und der Androhung von Strafen für die, die das Sammeln verhindern«. Der zweite wohlverdiente Papst ist Benedikt XIV, der mit einem Ablaßbrief vom 17. Juni 1750 denjenigen Sterbenden die vollkommene Erlösung von den Sünden zubilligte, die »sich mit der heiligen Kirchenkindschaft versorgten«, schlicht gesagt, denen die Minderbrüder jeden Karfreitag in der Kirche oder an der Haustür eine oder mehrere dieser Bullen verkauften.
     In meiner anhaltenden Unwissenheit über die Gottesdinge dünkte mir nun, daß ich zumindest zwei nicht unbedeutende Einzelheiten erwähnen sollte: Das eine war, um es mal ohne Umschweife zu sagen, der bei einem Minderbruder erhältliche Generalablaß, das heißt der vollständige Ablaß sämtlicher Sünden, und das war gewiß keine x-beliebige Garantie. Der Preis für diesen Ablaß von fünfzig Centesimi oder zehn Lire kam mir vor wie ein echter Schleuderpreis. Die andere Kleinigkeit war (das wußte ich noch aus der Schulzeit), daß der Ablaß weder verkauft noch gekauft werden durfte. Um mir Klarheit zu verschaffen, nahm ich die mächtige Enciclopedia cattolica (Katholische Enzyklopädie) zur Hand (mächtig, wie sie nun einmal sein mußte, auch wenn sie nur um ein geringes umfangreicher als die Enzyklopädie des Stiers war, die ich im Haus eines spanischen Freundes und Liebhabers von Stierkämpfen gesehen habe). So ließ ich mich belehren, daß der allumfassende Ablaß ständig mit unterschiedlichen Mitteln erneuert werden muß, weil er zeitlich begrenzt ist. Vor Ablauf der einzelnen Ablaßbullen zu sterben, war also durchaus vorteilhaft. Und deshalb sammelten die Minderbrüder jeden Karfreitag die Spenden in der Kirche oder an der Haustür: Die Gültigkeitsdauer dieser Bulle betrug zwölf Monate. Doch daß der Verkauf des Ablasses verboten war, das wurde mir von der Enzyklopädie bestätigt:

    »Die Ablaßerteilung in Verbindung mit einer Abgabe setzte leider den Anfang für höchst tadelnswerten Mißbrauch. Hatte man einmal einen Ablaß erhalten, der an eine Beitragsleistung für ein bestimmtes Werk gebunden war, so wurden die quaestores ausgesandt, um die Spenden einzusammeln. Leider übertrieben diese (aus Achtlosigkeit oder Berechnung) in ihren Predigten die dogmatische Wahrheit beträchtlich; einige wagten sogar, die Erlösung der zum Fegefeuer verdammten Seelen zu versprechen. Doch es gab noch einen anderen Aspekt des Ablaßhandels, der an den Spendeneingang gebunden war. Man gestattete den katholischen Königen und Fürsten, zuerst aus Anlaß der Kreuzzüge, sich eines mehr oder weniger ansehnlichen Teils der Eingänge zu bedienen, die sich aus der Pflichtspende zusammensetzten, mit der man in den Genuß des Ablasses kommen konnte. Genehmigungen dieser Art wurden in großem Maße für viele andere Unternehmen erteilt, und die Fürsten waren nicht besonders zurückhaltend. Allseits bekannt ist der Ablaß für den Bau der neuen Peterskirche in Rom. Der Kurfürst von Sachsen, später ein großer Gönner von Luther, sammelte so viele Reliquien wie möglich, damit er sich der reichen Spenden bedienen konnte, mit denen dieselben überhäuft wurden, um den Ablaß zu erlangen. Keiner leugnet, daß Mißbrauch, schwerwiegender Art sogar, stattgefunden hat. Auf der anderen Seite jedoch versuchte die Kirchenobrigkeit, vielleicht nicht immer mit der notwendigen Strenge, dem Übel Einhalt zu gebieten. Leider erst nach dem verbissenen Kampf der
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