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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.
Autoren: Andrea Camilleri
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Protestanten gegen den Ablaßhandel unterdrückte das Konzil von Trient auf immer die Ablaßbettelei.
    Bereits das fünfte Laterankonzil (1512 – 1517) beseitigte einige Mißstände bei den Ablaßpraktiken und legte die Gültigkeitsdauer der Ablaßgewährungen fest; so wurden für die Kirchweihe und deren Jahrestag nicht mehr als ein Jahr, für andere Gelegenheiten nicht mehr als vierzig Tage verfügt. Doch recht bald wurden diese Grenzen überschritten. Noch im Spät-Mittelalter kamen auf außergewöhnliche Weise gefälschte Dokumente mit Ablässen zum Vorschein, die jedes Maß und Ziel überschritten, nämlich nicht nur um Hunderte, sondern um Tausende von Jahren.
    Das Konzil von Trient kam nach dem von Lyon und dem von Wien erneut auf die Ablaßfrage zurück, vor allem angesichts des gnadenlosen Kriegs, den die Reformatoren gegen die Ablässe entfacht hatten. In Sektion 21. Kapitel 9, untersagte das Konzil das Amt der questori, d. h. der Geldeintreiber beim Ablaßhandel, die durch Mißbräuche, die sich darin eingeschlichen hatten, viel Arges angerichtet hatten, und behielt die öffentliche Gewährung von Ablässen allein den Ordinarien vor; diese durften fortan, falls nötig, ohne jegliche Gegenleistung Spenden einsammeln. Schließlich wurde in Sektion 25 das berühmte Dekret de indulgentiis erlassen: Nachdem feststand, daß die Kirche das Recht auf Ablaßgewährung bei Christus unserem Herrn hatte, wurde der Ablaßhandel als christiano populo maxime salutarem genehmigt, bei neuerlicher Abschaffung jeglicher Streitigkeit bezüglich der Ablässe, und es wurde angeordnet, daß die Bischöfe ernsthaft in den jeweiligen Diözesen auf jedweden Mißbrauch achten und denselben in den Provinzsynoden und vor dem Obersten Hirten anzeigen sollten.«

    Ich möchte etwas zu der Reliquiensammlerei des Kurfürsten von Sachsen sagen, die in diesem Abschnitt am Rande erwähnt wird. Zweck dieses wahrlich außerordentlichen Verkaufs von Ablässen war in Wirklichkeit die Deckung der Schulden, die Albrecht von Hohenzollern, Kurfürst und Erzbischof von Mainz, bei der Fugger-Bank im Zusammenhang mit dem (unrechtmäßigen, das sei klargestellt) Erwerb von drei bedeutenden Bistümern, allen voran das Erzbistum von Mainz, auf sich geladen hatte. Nur fünfzig Prozent der Einnahmen würden dem Heiligen Stuhl für den Bau des neuen Petersdoms zugute kommen. Im übrigen handelte Albrecht ganz im Sinne Papst Leos X. der seiner eigenen Schwester das Privileg für den Ablaßhandel en gros übertragen hatte. Martin Luther wußte bestimmt nichts über diese geheime Absprache, als er beschloß, seine 95 Thesen gegen den Ablaß an die Kirche zu Wittenberg zu schlagen – Thesen, die die Welt der Christen in zwei Lager gespaltet haben.
    Was den Rest angeht, spricht der Artikel eine klare Sprache. Doch weshalb verkauften die Fratres weiterhin, sagen wir mal ganz legal, die Bulle? Es gab, und darauf stieß ich erst später, einen raffinierten Mechanismus. Die Fratres verkauften den Ablaß nämlich weder direkt, noch stellten sie einen unmittelbaren Bezug zwischen demselben und der Spende her, sondern sie beschränkten sich darauf, die Mitgliedschaft bei einer Kirchenkindschaft zu verkaufen, für die ebenfalls der Ablaß gewährt worden war. Jede Direktbeziehung war somit ausgeschaltet, es gab weder Ursache noch Wirkung. Ähnliches geschieht heute in den Filmklubs oder in den Off-Theatern, in denen man sich über das öffentliche Aufführungsverbot aufgrund mangelnder Sicherheitsvorkehrungen (nicht ordnungsgemäße Platzzahl, fehlende Sicherheitsausgänge, ungenügend installierte Löschanlagen usw.) durch die automatische Umwandlung der Eintrittskarte in einen Mitgliedsausweis hinwegsetzt. Infolgedessen wird das Lokal ein Privatklub, der nicht an die Einhaltung gewisser Regeln gebunden ist.

    Der wahre Grund des erfolgreichen Verkaufs der Bullen hatte nichts mit Religion zu tun, auch wenn sie sich darauf beriefen. »Die Gläubigen also«, besagten die letzten Zeilen der Bulle, »die jährlich die heilige Kirchenkindschaft erwerben, haben teil an allen obenerwähnten geistlichen Vergünstigungen (kostenfreie Messen und Ablässe) und zeigen sich der Sündenvergabe im irdischen Leben durch Gott und des Preises der ewigen Glorie im jenseitigen Leben würdig; tragen sie die Kirchenkindschaft mit sich, können sie in den Verdienst kommen, um des kostbarsten Bluts Jesu Christi, unseres Retters willen, von den Geißeln der göttlichen Gerechtigkeit befreit
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